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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC
Autoren: Gunnar Decker
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teuflischen Technik, ironischerweise auch in Hesses All-
    tagsleben ein. Als er 1946 den Nobelpreis erhält, kauft Ninon Hes-
    se – ein Auto. Um – gelegentlich – dem Einsiedlerleben in
    Montagnola zu entfliehen und wenigstens ab und zu einmal nach
    Zürich in die Bibliothek oder ins Kino zu kommen. Allerdings, sagt
    man, sei sie keine sehr gute Fahrerin gewesen (sie bestand erst
    unmittelbar vor dem Autokauf die Fahrprüfung), und das Auto
    hätte bald lauter Beulen und Schrammen gehabt. Davon ungeach-
    tet läßt auch Hermann Hesse sich gern chauffieren. So auch an
    seinem 75. Geburtstag am 2. Juli 1952, um dem Ansturm der Be-
    sucher zu entgehen. Aber sie kommen nicht sehr weit, das Auto
    bleibt überhitzt stehen. - Die späte Rache der Technik an Hesses
    Autojagd-Kapitel aus dem »Steppenwolf«?

    B
    Ball, Hugo
    Von seiner Monographie hat Hesse sich verstanden gefühlt. Ball
    war ihm zum Freund geworden. Im Jahr des Erscheinens des wohl
    bis heute wichtigsten Buches über Hesse (1927) ist Ball gestorben.
    Ein so eigenwilliger, so unverwechselbarer Autor!
    1930 hat Hesse die Einleitung zu Emmy Ball-Hennings »Hugo Ball.
    Sein Leben in Briefen und Gedichten« geschrieben. Darin heißt es:
    »Mein persönliches Verhältnis zu Ball, meine mit den Jahren aus
    Achtung und Bewunderung zu inniger Freundschaft gewordene
    Liebe zu ihm hatte zwei Stützpunkte, zwei Gemeinsamkeiten. Bei
    aller unendlichen Verschiedenheit unsrer Naturen, unsrer Herkünf-
    te, unsrer Ziele waren zwei wichtige Dinge uns beiden gemein-
    sam: die Herkunft aus dem Religiösen und das Erzogensein in
    christlichen Idealen (waren auch die meinen von protestantischer
    Färbung), und zweitens: das Ergriffensein durch das Erlebnis des
    Krieges. Wir beide hatten aus Vaterhaus und Kindheit alte Tradi-
    tionen, hohe Ideale, tiefe Mahnungen, hohe Auffassungen vom
    Sinn des Menschseins mitgebracht, wir beide erlebten im Krieg
    den sichtbaren Zusammenbruch, die verzweifelte Explosion eines
    europäischen Geistes- und Seelenzustandes, und wir erlebten die-
    sen Zusammenbruch beide ganz ähnlich: nicht bloß als Erschüt-
    tertsein von all dem Mord und all der Not, sondern als Aufruf an
    das eigene Gewissen.« Die Berufung des Intellektuellen, das »Ge-
    wissen Europas« zu sein, diesem Anspruch Romain Rollands fühl-
    ten sie sich beide verbunden. Hugo Ball wurde 1886 in Pirmasens
    geboren. Mit sechzehn mußte er Lehrling in einem Ledergeschäft
    werden, obwohl er unbedingt studieren wollte. Nach zwei Jahren
    bekommt er einen Nervenzusammenbruch, und die Eltern haben
    endlich ein Einsehen. Er holt sein Abitur nach und beginnt in
    München zu studieren. Aber bald schon befällt ihn der Ekel vor
    dem Wissenschaftsbetrieb. Seine Dissertation über Nietzsches
    Kulturideal reicht er nie ein. Statt dessen wendet er sich dem
    Theater zu. Wenn es noch eine Stätte für freie Geister gibt, dann
    doch diesen weisen Narren-Tempel! Seine Familie bricht nach
    dieser Entscheidung vollends mit ihm. Er kommt nach Berlin zu
    Max Reinhardt, lernt die jungen wilden Dichter im Café des We-
    stens kennen, bekommt eine Stelle als Dramaturg und Schauspie-
    ler am Theater in Plauen, kämpft sich aus der Provinz bis nach
    München, wo er die Kammerspiele leitet. 1914 ist er erschrocken
    über die blinde Maschinengewalt des Krieges, wird vom Kriegs-
    freiwilligen zum Kriegsgegner, geht in die Schweiz. Alle Brücken
    nach Deutschland sind abgebrochen. Ball schlägt sich bei einer
    Wandertruppe mühsam als Klavierspieler durch. Schreibt über
    diese Zeit seinen Roman »Flammetti«. Er gehört zu den Mitbe-
    gründern des Dadaismus im Umkreis des Cabaret Voltaire. Ball
    gibt ein »Bakunin-Brevier« heraus und 1919 »Zur Kritik der deut-
    schen Intelligenz«. Als der Dadaismus immer mehr zu einer, wie
    Hesse schreibt, internationalen Modemarke wird, erlebt Ball ent-
    täuscht eine Introversion, eine »Wendung seines ganzen Lebens
    nach innen«. Hugo Ball heiratet Emmy Hennings und wird Katho-
    lik. Nun schreibt er über »Byzantinisches Christentum« (1923), die
    »Folgen der Reformation« (1924) und »Flucht aus der Zeit« (1926).
    1927 erscheint »Hermann Hesse. Sein Leben und Werk«. Im glei-
    chen Jahr beginnt er ein Exorzismus-Buch über dämonische und
    heilige Welt. Er stirbt nach einer Operation.
    Auch vom Katholizismus fühlte Ball sich schnell wieder ausge-
    grenzt. Er war, wie bei allen Gelegenheiten in seinem Leben, auch
    im Glauben unbedingt und auf kompromißlose Weise
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