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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC
Autoren: Gunnar Decker
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Asket. Dabei
    aber kein Fanatiker im Sinne einer Ideologie, sondern fanatisch im
    existentialistischen Sinne: Sein Leben richtet sich ganz auf den
    Geist aus, in den er sich vertieft. Hugo Ball als moderner Mystiker,
    lebt fern aller Institution die Wahrheit des Geistes und zahlt willig
    den Leidens-Preis. Hesse bemüht sich, Hugo Ball, der von seinen
    Büchern nicht leben kann und 1920, ebenso wie Hesse ein Jahr
    zuvor, als ein »abgebrannter kleiner Literat« ins Tessin kommt,
    finanziell zu unterstützen. Hesse in einem Brief aus dem Jahre
    1922: »Für die einzelnen, die man zugrunde gehen sieht, weil sie
    nicht ihre geistige Aufgabe an den Nagel hängen und sich der
    Welt der heutigen Geschäfte anpassen können, für die tut es ei-
    nem immer weh. Darum freue ich mich nun auch sehr, daß es uns
    geglückt ist, Balls für eine Weile wieder flott zu kriegen.«
    Natürlich hat Hugo Ball in sein Bild von Hermann Hesse eigene
    Züge hineingemalt. Er spricht auch über sich, während er über
    Hesse nachdenkt. Hesse hat sich dennoch darin wiedererkannt.
    Über jegliche Konfessionsgrenzen hinweg verbindet sie eine glei-
    che Grundgestimmtheit. Ball: »Es ist die Spätromantik, die ver-
    säumtes Lieben, versäumtes Leben, versäumte Tierheit kennt und
    im letzten Aufbäumen die Jugend nachzuholen versucht, sie aber
    überbietet durch alles gereifte Wissen des Alters.«

    Basel
    In Basel hat Hesse bereits seine Kindheitsjahre zwischen 1881 und
    1886 zugebracht, wo sein Vater Lehrer an der Missionsschule war.
    Im Herbst 1899 geht er aus Tübingen als Buchhändler und Anti-
    quar wieder nach Basel und wird bis zu seiner ersten Italienreise
    im Frühjahr 1901 in der Reich'schen Buchhandlung angestellt
    bleiben. Bis er 1903 nach dem Erfolg des »Peter Camenzind« den
    Schritt in die freie Schriftstellerexistenz wagt, arbeitet er im Anti-
    quariat Wattenwyl. Basel, das ist auch in geistiger Hinsicht eine
    besondere Stadt. Mit Nietzsches Werken und Böcklins gerahmter
    Toteninsel im Koffer, trifft er in Basel ein. Die Missionshauszeit
    der frühen Baseler Kindheit liegt fern: »Basel, das ist für mich jetzt vor allem die Stadt Nietzsches, Jacob Burckhardts und Böcklins.«
    Die alte Stadt und ihre gar nicht traditionalen Geister, die sie prä-
    gen, diese Mischung fasziniert Hesse. Den Eltern schreibt er: »Mir
    liegt vor allem daran, nach so viel Hast und Zersplitterung wieder
    einmal zu einem wohligen Lebens- und Jugendgefühl zu kommen
    und meine etwas verstaubte, auch vergewaltigte Existenz von in-
    nen und außen abzubürsten und zu sonnen, was ich körperlich
    und geistig nötiger habe als ich mir selber zugestehen mag.«

    Bäume
    In seiner »Wanderung« hat Hesse anhand von Bäumen mit leich-
    ter Hand ein Glaubensbekenntnis formuliert. Leider – und völlig zu
    Unrecht – steht es im Verdacht von Spruchpostkartenreimerei.
    Dabei gehört – jenseits aller idyllischen Verklärung – die Gott-
    Allegorie des Baumes zu dem Schönsten und Tiefsten, was Hesse
    geschrieben hat. Der arg strapazierte und dennoch auf lyrische
    Weise wahre Satz lautet: »Bäume sind für mich immer die ein-
    dringlichsten Prediger gewesen.« So frohgemut dieser Satz da-
    herkommt, er ist nicht ohne dunkel-abgründige Dimension. Wann
    sind Bäume am meisten zu verehren? Hesse: Wenn sie einzeln
    stehen. »Sie sind wie Einsame.« Der Baum wird – rein naturge-
    schichtlich – zum Mikrokosmos, in dem sich der Makrokosmos
    spiegelt. Die Sonnen- und Regenstunden eines Jahres, die Tempe-
    raturverhältnisse, für all das hat der Baum ein Gedächtnis, das er
    aber erst offenbart, wenn man ihn fällt und die Schnittstelle be-
    sichtigt. Ein Zeugnis gelebten Lebens, großen trotzigen Wider-
    standes und noch größeren Einverständnisses mit seiner Umwelt:
    »Wenn ein Baum umgesägt worden ist und seine nackte Todes-
    wunde der Sonne zeigt, dann kann man auf der lichten Scheibe
    seines Stumpfes und Grabmals seine ganze Geschichte lesen: In
    den Jahresringen und Verwachsungen steht aller Kampf, alles
    Leid, alle Krankheit, alles Glück und Gedeihen treu geschrieben,
    schmale Jahre und üppige Jahre, überstandene Angriffe, über-
    dauerte Stürme. Und jeder Bauernjunge weiß, daß das härteste
    Holz die engsten Ringe hat, daß hoch auf Bergen und in immer-
    währender Gefahr die unzerstörbarsten, kraftvollsten, vorbildlich-
    sten Stämme wachsen.«
    Warum sind Bäume die »eindringlichsten Prediger«? Weil sie das
    Prinzip der Unio mystica
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