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Herzschlagzeilen

Herzschlagzeilen

Titel: Herzschlagzeilen
Autoren: Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG
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gewartet und als raunte er mir nun zu: Da bist du ja endlich .
    Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ich öffne meinen Rucksack, ziehe den Skizzenblock und die Ledermappe heraus und sehe mich nach einem geeigneten Sitzplatz um. Weiter hinten entdecke ich einen Baumstumpf, ich lege meinen Rucksack daneben, setze mich darauf, den Block auf den Knien, suche einen passenden Stift aus und hebe den Blick.
    Ich drehe den Stift zwischen meinen Fingern. Er fühlt sich fremd an, ungewohnt. Es ist, als ob ich vergessen hätte, wie man ihn richtig hält. Meine Hände schwitzen, in mei nem Kopf arbeitet es fieberhaft. Verzweifelt versuche ich, meine Aufmerksamkeit auf das zu richten, was ich vor mir sehe. Nun mach schon. Und wenn ich es nicht mehr kann? Meine Hand zittert, als ich damit beginne, den Baum ne ben mir zu skizzieren.
    In der Ferne höre ich den Motor eines Autos, etwas ra schelt im Gras und lenkt mich ab. Zu meinen Füßen huscht eine Maus davon. Rasch verschwindet sie unter welkem Laub, und zuerst bin ich traurig, dass sie so schnell wegge laufen ist.
    Aber dann sehe ich die Katze.
    Sie liegt auf einem umgestürzten Grabstein und beob achtet mich. Ihr langer Schwanz schlägt sanft hin und her.
    Fast wie von selbst setzt meine Hand jetzt den Stift auf das Papier.
    Die Umrisse des Steins sind schnell skizziert, schon nach wenigen Strichen spüre ich, wie meine Hand lockerer wird, ich bemerke den Stift in ihr gar nicht mehr. Ich zeichne. Ich zeichne.
    Ich schaue hoch, um mir die Katze einzuprägen. Ganz schwarz ist sie. Nur die linke Vorderpfote und die Schwanzspitze sind weiß. Da steht sie auf, streckt sich und springt von dem Stein herunter. Enttäuscht lasse ich den Stift sinken. Die Katze läuft ein paar Schritte, dann dreht sie sich um und schaut mich an. Ich sehe in ihre grünen Augen, die auch im gedämpften Licht der Bäume hell leuchten.
    Ich wende mich wieder meinem Skizzenblock zu, suche nach einem anderen Motiv vor meinen Füßen, doch da höre ich ein leises Miauen. Erstaunt sehe ich auf. Die Katze schaut mich immer noch an.
    Ich seufze. »Na gut, wie du willst.«
    Ich packe meine Sachen zusammen und stehe auf. Sie dreht sich um und verschwindet zwischen den Bäumen. Ich laufe hinter ihr her. Die Luft ist schwül und nimmt mir den Atem.
    Die Katze scheint es nicht eilig zu haben, wartet wieder kurz, bis ich näher komme, dann erst läuft sie weiter. Ich darf sie nicht aus den Augen verlieren.
    Plötzlich versperren mir Äste den Weg. Als ich sie ausei nanderbiege, zerkratzen Dornen meinen Arm. Ich beiße die Zähne zusammen und schlüpfe durch das Gestrüpp, frage mich, warum ich das eigentlich mache – warum ich hin ter einer fremden Katze herlaufe, mir die Arme zerkratze, mich durch einen Urwald kämpfe.
    Sie läuft jetzt schneller, ich muss mich beeilen, damit sie mir nicht entwischt.
    Ich bin mir sicher, dass ich in diesem Winkel des Fried hofs noch niemals gewesen bin, und doch habe ich das Ge fühl, jeden Baum, jeden Grashalm zu kennen.
    Plötzlich stehe ich auf einer Lichtung. Die Sonne taucht alles in sanfte Farben, lässt das Gras unter meinen Füßen leuchten, spielt mit den Blättern der Birken, die hier vereinzelt stehen. Bunte Wildblumen wachsen ihr entgegen.
    Einen Kiesweg gibt es nicht.
    Trotzdem ist deutlich ein Weg zu erkennen. Ein Weg aus grünem Moos. Alte Gräber säumen ihn. Ich suche zwi schen den Grabsteinen die Katze.
    Da vorn ist sie. Sie wartet wieder auf mich, schaut zu mir zurück, die weiße Schwanzspitze erhoben, dann springt sie plötzlich davon.
    Ich versuche erst gar nicht, ihr hinterherzulaufen. Statt dessen wende ich mich nach links und betrachte die Grab steine genauer. Die Namen der Verstorbenen sind kaum noch zu entziffern. Nur einzelne Buchstaben und ein paar Zahlen kann ich erkennen. Ich drehe mich um, will die Lich tung mit einem Blick erfassen. Etwas ist anders und es ist nicht nur das Licht. Mein Herz schlägt schneller, und ich brauche einen Moment, bis ich begreife, was es ist. Sämt liche Geräusche sind jäh verstummt. Ich höre keine Autos mehr, aber auch die Vögel haben aufgehört zu singen. Es ist, als ob die Welt den Atem anhalten würde.
    Das Einzige, was noch zu hören ist, ist mein eigener Atem, der lauter wird, je länger ich hier stehe. Ich merke, wie die Kälte zurückkommt, sie kriecht mir unter die Haut und lässt mich frösteln. Ich fühle mich beobachtet, drehe mich nach allen Seiten um, aber da ist niemand. Erst glaube ich, Stimmen zu
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