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Herrscher der Erde

Herrscher der Erde

Titel: Herrscher der Erde
Autoren: Frank Herbert
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immer rascher, und die Lampen im Labor begannen zu brennen.
    Es war neunzehn Uhr zweiundzwanzig, als er die letzte Verbindung festlötete. Eric schätzte die Zeit, in der es keinen Strom gegeben hatte, auf eine halbe Stunde. Es war also eher zwanzig Uhr. Er zögerte eigenartigerweise, die fertige Maschine zu testen. Sein ehemaliger Enzephalorecorder war nun ein Gewirr von Drähten, gedrängten Reihen von Röhren, Kristallen und Isolierungen. Nur die metallene Haube erinnerte noch an das alte Gerät.
    Eric schob vorsichtig einen Vorhang von Drähten beiseite, zwängte sich durch und setzte sich auf den Stuhl unter der Haube. Er legte die Hand auf den Hauptschalter und zögerte.
    Sitze ich wirklich hier? Oder ist es ein Trick des Unterbewußtseins? Vielleicht hocke ich in einer Ecke mit dem Daumen im Mund. Vielleicht habe ich die Telesonde zerstört. Vielleicht habe ich sie so zusammengebaut, daß sie mich tötet, sobald ich sie einschalte.
    Er betrachtete den Schalter, zog seine Hand zurück. Ich kann nicht einfach hier sitzen. Das ist auch Wahnsinn.
    Er zog den Helm herab und setzte ihn auf. Er fühlte das Prickeln der Kontakte, als sie sich in seine Kopfhaut bohrten und die Betäubungsnadeln ihre Wirkung taten.
    Es fühlt sich real an. Aber vielleicht rekonstruiere ich es nur aus dem Gedächtnis. Es ist kaum wahrscheinlich, daß ich der einzige gesunde Mensch in der Stadt bin. Er näherte seine Hand dem Schalter. Aber ich muß so tun, als wäre ich es.
    Als hätte er einen eigenen Willen, legte der Daumen den Schalter um. Augenblicklich hing ein leiser Ton im Raum, der auf und ab schwang. Er ging in eine Dissonanz über, in Harmonien, halbvergessene Musikfetzen.
    In Erics Geist drohten Bilder des Wahnsinns sein Bewußtsein zu überwältigen. Er versank in einen Mahlstrom. Ein leuchtendes Spektrogramm wirbelte vor seinen Augen. In einer Ecke des Bewußtseins drängten sich die Wahrnehmungsimpulse der Realität, die ihn retteten: das Gefühl des Sessels unter ihm, der Druck gegen den Rücken.
    Er sank tiefer in den Mahlstrom, der grau wurde, und plötzlich das winzige Bild war, das man durch das verkehrte Ende eines Fernrohres sah. Er konnte einen kleinen Jungen ausmachen, der die Hand einer Frau in einem schwarzen Kleid hielt. Die beiden gingen in einen saalgleichen Raum. Plötzlich sah Eric sie nicht länger aus großer Ferne, sondern war selbst wieder ein Knabe von neun Jahren, der sich dem Sarg näherte. Wieder verspürte er die schreckliche Faszination, hörte das Schluchzen der Mutter. Im Sarg lag der wachsbleiche Körper eines Mannes, der irgendwie seinem Vater ähnelte. Als Eric ihn betrachtete, schmolzen die Gesichtszüge und bildeten die von Onkel Mark. Eine weitere Verwandlung ließ seinen Geometrielehrer entstehen, dann kam der Psychologieprofessor, die nächste Veränderung brachte seinen eigenen Analytiker, Dr. Lincoln Ordway, und dann – und dagegen kämpfte er an – formten sich im Sarg die Gesichtszüge von Dr. Carlos Amanti.
    Das ist also die Vatergestalt, die ich mit mir herumtrage. Das bedeutet, daß ich die Suche nach meinem Vater nie richtig aufgegeben habe. Welche Entdeckung für einen Psychoanalytiker! Warum mußte ich zu dieser Erkenntnis kommen? Hat Pete in seinem Musikron ähnliche Erfahrungen machen müssen?
    Plötzlich schien ein anderer Teil seines Geistes die Kontrolle über sein Bewußtsein zu übernehmen. Sein Selbst wurde zu einem winzigen Punkt, der so rasch durch seine Erinnerungen jagte, daß er die Ereignisse kaum zu unterscheiden vermochte.
    Sterbe ich? Zieht mein Leben an mir vorbei?
    Beim Bild Colleens hielt das Kaleidoskop an. Er sah sie so, wie er sie in seinem Traum gesehen hatte. Auf der Leinwand des Gedächtnisses erschien das Bild Petes. Eric sah die beiden Menschen in einer Relation zu sich, die er zuvor nicht verstanden hatte. Sie stellten einen Katalysator dar, der weder als gut noch als böse zu bezeichnen war, sondern der bloß der Anstoß zum Geschehen war.
    Plötzlich merkte Eric, daß sich sein Bewußtsein in den gesamten Körper auszubreiten begann. Er erkannte den Zustand und die Funktion jeder Drüse, jeder Nervenfaser, jedes Muskelstranges. Er konzentrierte seinen inneren Blick auf das Grau, das er durchdrungen hatte. Eine rote Linie tauchte darin auf, wand sich an ihm vorbei. Er folgte ihr. In seinem Geist formte sich ein Bild, wuchs, als erwache er aus einer Betäubung. Er schaute eine lange Straße entlang in die Scheinwerfer eines Turbinenautos, das auf
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