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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit
Autoren: Fritz Leiber
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Gegend von Buena Vista und Beaver Street kommen solltest Nimm Gun oder Saul mit. Und denke daran …« Anstatt ihm zu sagen, an was er denken sollte, küsste sie zwei Finger ihrer rechten Hand, streckte sie ihm entgegen und blickte ihn ernst an.
    Er lächelte, nickte zweimal und fühlte sich glücklich und erregt, als er die Wohnung verließ. Aber als er die Tür hinter sich zudrückte, beschloss er, auf gar keinen Fall die beiden Männer im fünften Stock aufzufordern, ihn zu begleiten – es war eine Frage seines Muts, oder zumindest seiner Unabhängigkeit. Nein, heute würde das Abenteuer ihm allein gehören.
    Wer schert sich um die Torpedos? Volle Kraft voraus!

 
4
     
    Der Korridor vor Cals Apartment sah genauso aus wie der auf Franz’ Etage: schwarzüberstrichene Luftschachtfenster, drückerlose Türen zu den nicht mehr benutzten Besenschränken, die fahlgoldene Lifttür, und im unteren Teil der Wand die mit Kappen verschlossenen Staubsaugeranschlüsse, ein Relikt der Tage, als sich der Motor für das Staubsaugersystem des Gebäudes im Keller befand und die Putzfrauen nur einen Schlauch mit einer Bürste in die Anschlüsse steckten. Doch noch bevor Franz das Treppenhaus erreichte, hörte er ein intimes, leises Lachen, und dann ein paar Worte einer Männerstimme: leise, rasch und scherzend. Sauls Stimme? Dann wieder das mädchenhafte Lachen, lauter und etwas explosiver, fast so, als ob sie von jemandem gekitzelt würde. Dann das Geräusch von raschen Schritten, die die Treppe herabkamen.
    Franz erreichte das Treppenhaus gerade rechtzeitig, um eine schlanke Gestalt um die unter ihm gelegene Ecke verschwinden zu sehen: nur eine flüchtige Vision von schwarzem Haar, einem farbigen Kleid und schlanker, weißer Handgelenke und Knöchel, alles in rascher Bewegung. Er beugte sich über das Geländer und starrte in die kleine rechteckige Schlucht des Treppenhauses; er war beeindruckt von dem Anblick der untereinander liegenden Treppen und Treppenabsätze, die wie eine Serie von Reflektionen wirkten, als ob man zwischen zwei Spiegeln stehen würde. Die raschen Schritte verklangen in der Tiefe des Treppenhauses, doch das Mädchen, das sie verursachte, hielt sich an den Außenwänden und kam nie nahe genug an das Geländer der Innenseite, dass er es hätte noch einmal sehen können.
    Während er so in die tiefe Schlucht des Treppenhauses starrte, die durch das kleine Oberlicht im Dach des Gebäudes nur unzureichend beleuchtet wurde, und noch immer an das Mädchen und sein Lachen dachte, stieg in seinem Gehirn eine verschwommene Erinnerung auf und nahm ihn für ein paar Sekunden völlig gefangen. Obwohl sie nicht ganz klar wurde, packte sie ihn mit der Gewalt eines unangenehmen Traumes oder eines besinnungslosen Rausches. Er stand aufrecht in einem dunklen, klaustrophobisch engen, überfüllten, muffig riechenden Raum. Durch den Stoff seiner Hose fühlte er, wie eine kleine Hand an seine Genitalien griff, und hörte ein leises, aufreizendes Lachen. Er blickte hinab und sah das kleine geisterhafte, ausdruckslose Oval eines Gesichtes, und das Lachen klang jetzt höhnisch. Irgendwie schien es ihm, als ob von allen Seiten schwarze Tentakel nach ihm griffen. Er fühlte den Druck krankhafter Erregung, und Schuld, und – beinahe – von Angst.
    Die verschwommene Erinnerung verschwand, als Franz einfiel, dass die Gestalt im Treppenhaus Bonita Luque gewesen war, die den geblümten Pyjama und die schwarzen Hausschuhe von ihrer Mutter getragen hatte, die ihr bereits zu klein geworden waren, die sie jedoch hin und wieder noch trug, wenn ihre Mutter sie am Morgen auf Botengänge durch das Gebäude schickte. Er lächelte ein wenig bei dem Gedanken, dass es ihm beinahe leid tat (nicht wirklich), nicht mehr betrunken zu sein, um sich an verschiedenen abseitigen Fantasien und Vorstellungen erregen zu können.
    Er begann die Treppe hinaufzusteigen, blieb jedoch sofort stehen, als er die Stimmen von Gun und Saul aus dem oberen Stockwerk hörte. Er wollte jetzt keinen der beiden sehen, ursprünglich, weil er keine Lust hatte, die Pläne und die Stimmung dieses Tages mit irgend jemand außer Cal zu teilen, doch als er dem Dialog der immer schärfer werdenden Stimmen zuhörte, wurde sein Motiv erheblich komplizierter.
     
    Gun fragte: »Was war eigentlich los?«
    Saul antwortete: »Ihre Mutter hat das Kind heraufgeschickt, um zu fragen, ob einer von uns einen Kassetten-Recorder vermisst. Sie glaubt, dass ihre Kleptomanin im zweiten Stock
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