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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit
Autoren: Fritz Leiber
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Kugelschreiber aus der Tasche gezogen. Als Guns Finger auf den roten Knopf drückte, beugte er sich vor, etwas vorsichtig, da er ein ziemlich lautes Geräusch erwartete.
    Statt dessen aber kam nur ein leises, ein wenig heiser klingendes Surren aus dem Kasten, als ob die Zeit sich räusperte.
    Glücklich über diese Parallele notierte Franz sie auf seinem Block.
    Gun schob ein pastellfarbenes Blatt Papier in den breiten Schlitz. Fahlblauer Schnee rieselte auf das schmutzigweiße Konfetti im Auffangkorb. Das Geräusch wurde nur wenig lauter.
    Franz bedankte sich bei Gun und verließ sein Apartment. Er ging zum Treppenhaus zurück und stieg die Stufen hinauf, vorbei an seinem Stockwerk und dem siebenten bis zum Dach. Er fühlte sich zufrieden. Dass er diese kleine informative Erfahrung machen konnte, war der glückliche Umstand, den er brauchte, um diesem Tag einen perfekten Start zu geben.



 
5
     
    Der kubische Raum, in dem der Lift-Motor untergebracht war, wirkte wie die Klause eines Zauberers auf der Spitze eines Turms: das Oberlicht war mit einer dicken, grauen Schmutzschicht bedeckt, der Elektromotor sah aus wie ein breitschulteriger Zwerg in einem öligen, grünen Panzer, altmodische Relais in der Form von acht gusseisernen Armen zuckten und zitterten, wenn sie aktiviert wurden, wie die Glieder einer riesigen, angeketteten Spinne – und große Kupferschalter klickten laut, wenn sie sich öffneten oder schlossen, sobald unten ein Knopf gedrückt wurde, wie die Kiefer einer Spinne.
    Franz trat ins Sonnenlicht hinaus, auf das flache, von einer niedrigen Balustrade eingefasste Dach des Gebäudes. In eine Teerschicht eingebetteter Kies knirschte leise unter seinen Schritten. Die kühle Brise, die hier oben wehte, war eine willkommene Erfrischung.
    Im Norden und Osten blockierten die riesigen Gebäude der City den Blick auf die Bay, und Franz fragte sich, was der alte Thibaut zu der gigantischen Transamerika-Pyramide und dem purpurbraunen Monster der Bank of America gesagt haben würde. Selbst das neue Hilton oder die St. Francis-Türme hätten ihn zu Stürmen der Entrüstung provoziert. Ihm fiel ein Ausspruch ein: ›Die alten Ägypter haben Menschen in ihren Pyramiden nur begraben. Wir leben in den unseren.‹ Wo hatte er das gelesen? In Megapolisomancy natürlich. Wie zutreffend! Und gab es in den modernen Pyramiden auch geheime Inschriften oder Markierungen, welche die Zukunft voraussagten, und Krypten für Zauberer?
     
    Er ging an den von niedrigen Mauern eingefassten, rechteckigen Öffnungen der sparsam ausgelegten Luftschächte vorbei zur anderen Seite des Daches und blickte zwischen zwei Hochhäusern (die sich neben denen der City bescheiden ausnahmen) hindurch zum Fernsehturm und den Corona Heights. Der Nebel hatte sich aufgelöst, doch der fahlbraune, bizarre Bergrücken hob sich auch jetzt scharf gegen das Licht der Morgensonne ab. Er blickte durch den Feldstecher, ohne viel Hoffnung, aber – bei Gott! – dort war wieder die Gestalt dieses verrückten, mit einer erdbraunen Robe bekleideten Sonnenanbeters, oder was immer er sein mochte, wie vorher seinem seltsamen Ritual hingegeben.
    Wenn der Feldstecher nur nicht so wackeln würde! Jetzt war dieser Bursche zu einem etwas tiefer gelegenen Felsen herabgesprungen und schien verstohlen hinter ihm hervorzulugen. Franz versuchte, seine Blickrichtung festzustellen, und entdeckte sofort das wahrscheinliche Objekt seines Interesses: zwei Menschen, die den Hang hinauf zum Gipfel emporstiegen. Wegen ihrer farbigen Shorts und Hemden waren sie leicht auszumachen. Aber trotz der auffälligen Kleidung kamen sie Franz irgendwie seriöser vor als der Mann, der dort oben auf dem Gipfel lauerte. Er fragte sich, was passieren mochte, wenn sie dort oben aufeinander stoßen würden. Ob der braunrobige Hierophant versuchen würde, sie zu konvertieren? Oder sie feierlich aus seiner Domäne zu verbannen? Oder ob er sie aufhalten würde, um ihnen eine schauerliche Geschichte mit einer Moral vorzutragen? Franz blickte wieder zum Gipfel, doch jetzt war der Mann (es konnte genauso gut auch eine Frau sein) verschwunden. Ein scheuer Typ, folgerte er, als er durch das Glas die Felsen absuchte, um festzustellen, wo er sich jetzt versteckte. Er folgte sogar den beiden auffällig gekleideten Männern, bis sie den Gipfel erreicht hatten und auf der anderen Seite des Berges verschwanden, immer in der Hoffnung auf ein überraschendes Zusammentreffen, doch es kam nicht zustande.
    Als er
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