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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit
Autoren: Fritz Leiber
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– er hat sehr sorgfältig berechnet, wie viel Elektrizität in so und so vielen tausend Meilen Kabeldraht gespeichert sind, wie viel Leuchtgas sich in den Gasometern befindet, wie viel Stahl bei den damals neuen Wolkenkratzern verbaut wird, wie viel Papier die Behörden und die Zeitungsverlage verbrauchen, und so weiter.«
    »Mein Gott«, kommentierte Cal, »was müsste dieser Mensch denken, wenn er heute leben würde.«
    »Dass seine schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheitet haben, ohne Zweifel. Er hat die wachsende Bedrohung durch das Automobil und das Benzin in seine Spekulationen einbezogen, aber noch gefährlicher erschienen ihm die Elektromobile, die elektrische Energie in ihren Batterien mit sich führen. Er kam unserer modernen Sorge um die Verschmutzung der Umwelt verdammt nahe – er schreibt sogar von ›den riesigen Ansammlungen gigantischer, qualmender Schmelzbottiche‹, den Wolken von Schwefelsäure, die für die Herstellung von Stahl benötigt wird. Aber am meisten regte er sich über die psychologische oder spirituelle – er nennt sie ›paramentale‹ – Wirkung von all dem Zeug auf, das sich in den Großstädten ansammelt, über seine reine flüssige oder feste Masse.«
    »Ein richtiger Proto-Hippie«, fand Cal. »Was für ein Mensch war er? Wo hat er gelebt? Was hat er sonst noch getan?«
    »Darüber gibt es in diesem Buch nicht die geringsten Hinweise«, sagte Franz, »und ich habe auch sonst nichts über ihn finden können. In diesem Buch erwähnt er recht häufig New England und das östliche Kanada, einige Male auch New York, aber ohne direkten Bezug. Er spricht auch von Paris – er hasste den Eiffelturm – und von Ägypten.«
    Cal nickte. »Was ist mit dem anderen Buch?«
    »Ich finde es auch sehr interessant.« Franz reichte es ihr. »Wie du siehst, ist es eigentlich kein Buch, sondern ein Journal mit Blättern aus Reispapier, so dünn wie Zwiebelschalen, fast durchsichtig, in Rohseide gebunden, die wohl einst teerosenfarben gewesen sein dürfte, bevor sie verblich. Die Eintragungen, mit violetter Tinte und einer sehr feinen Feder geschrieben, reichen kaum über ein Viertel der Seiten. Der Rest ist leer. Als ich diese beiden Bücher kaufte, waren sie mit einem alten Bindfaden zusammengeschnürt. Es sah aus, als ob sie seit Jahrzehnten so miteinander verbunden gewesen wären – hier kannst du noch immer die Eindrücke der Verschnürung sehen.«
    »Stimmt«, gab Cal zu. »Seit 1900 oder so? Ein sehr hübsches Tagebuch – so eins würde ich auch gerne haben.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Nein, sie sind erst 1928 oder später miteinander verschnürt worden. Ein paar der Eintragungen sind datiert, und sie scheinen alle im Laufe weniger Wochen gemacht worden zu sein.«
    »War er ein Dichter?« fragte Cal. »Ich sehe Zeilengruppen, die wie Verse aussehen. Wer war er? Der alte de Castries?«
    »Nein, nicht de Castries, aber jemand, der sein Buch gelesen hatte und ihn kannte. Doch ich glaube nicht, dass er ein Dichter gewesen ist. Ich glaube sogar, dass ich weiß, wer der Tagebuchschreiber ist, obwohl es sehr schwierig sein dürfte, dies zu beweisen, da er keine Eintragungen unterzeichnet hat und sich auch sonst nirgends ein Hinweis auf seine Identität findet. Aber ich glaube, dass es Clark Ashton Smith war.«
    »Ich habe den Namen schon gehört«, sagte Cal.
    »Wahrscheinlich von mir«, sagte Franz. »Er war auch ein Autor übersinnlicher Horror-Geschichten. Sehr gute, unheilgeladene Stories: Tausendundeine-Nacht-Chinoiserie. Eine Stimmung wie in Beddoes Death’s Jest-Book. Er hat in der Nähe von San Francisco gelebt und die alte Künstlerkolonie gekannt. Er hat George Stirling in Carmel besucht, und es ist durchaus möglich, dass er seine besten Geschichten hier in San Francisco schrieb. Ich habe Jaime Donaldus Byers eine Fotokopie dieses Journals gegeben; er ist eine Koryphäe, was Smith betrifft, und wohnt hier in der Beaver Street, und er ist sicher, dass Smith der Verfasser ist. Eine zweite Fotokopie habe ich Roy Squires gegeben, der sicher ist, dass es sich auf keinen Fall um Smith handeln kann. So ganz sicher ist Byers allerdings auch nicht. Er sagt, es gibt keinerlei Beweise dafür, dass Smith sich längere Zeit in San Francisco aufgehalten hat, und obwohl die Handschrift die Smiths zu sein scheint, wirkt sie fahriger und erregter, als er sie jemals gesehen hat. Aber ich habe Grund zu der Annahme, dass Smith seinen Trip geheim gehalten hat, und er hatte eine Menge Gründe,
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