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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel
Autoren: Ramona Ziegler
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kurze Zeit später schweigend im Auto saßen und der weihnachtlichen Musik lauschten, die gerade im Radio spielte, legte er plötzlich seinen Arm um meine Schultern und bat mich, ich solle mich bitte auf keinen Fall auf eine Diskussion einlassen. Ich versprach Franz, mich zurückzuhalten. Schließlich war Weihnachten, das Fest der Liebe und der Familie. Wir hatten vor, unsere Geschenke vorbeizubringen und uns dann bald wieder auf den Heimweg zu machen.
    Als Agnes nach dem zweiten Klingeln an die Haustür kam und uns erblickte, tat sie sofort ganz entsetzt: »Meine Güte, jetzt kann ich euch gar nichts anbieten.«
    »Das macht doch nichts«, erwiderte Franz. Und ich antwortete freundlich, dass wir ja nicht zum Essen gekommen seien.
    Wir gingen ins Wohnzimmer und begrüßten Eberhart, der – wie häufig in letzter Zeit – apathisch vor dem Fernseher hockte.
    »Leider haben wir auch nur noch ein Bier im Haus«, sagte Agnes, wobei sie in der Küche verschwand und mit einer Tasse heißem Tee wieder zurückkam. Beim Hinsetzen sah sie mich fragend an: »Hättest du etwa auch gerne einen Tee getrunken? Den habe ich gerade für mich frisch aufgebrüht.«
    Ich verneinte und wunderte mich insgeheim wieder einmal darüber, wie man nur so wenig gastfreundlich sein konnte.
    Unsere Geschenke lagen unbeachtet auf dem Wohnzimmertisch und auch die mitgebrachten Blumen waren noch immer in Folie verpackt und hatten bisher kein Wasser bekommen. Agnes erklärte, dass sie noch gar nicht dazu gekommen sei, für Susanne, Jonas und Lukas ein Geschenkkuvert herzurichten.
    »Das ist doch gar nicht nötig«, entgegnete ich verärgert. »Deshalb sind wir schließlich nicht gekommen!«, fügte ich hinzu.
    Agnes holte Geld aus einer Schublade, dann sagte sie bestimmend, während sie die Scheine noch fest in ihrer Hand umklammert hielt: »Das ist für Jonas und Lukas. Susanne bekommt später etwas.«
    »Nein!« Jetzt konnte ich mich einfach nicht mehr zurückhalten. »Durch solche ungleichen Geschenke treibst du keinen Keil zwischen unsere Kinder. Die hundert Euro teilen wir durch drei, wenn du schon auf einem Geldgeschenk bestehst.«
    Jetzt wurde sie richtig böse, denn es ging nicht nach ihrem Willen. »Dank werde ich von deinen Kindern ja so und so später keinen bekommen, so gottlos wie du sie erziehst!« Während sie das sagte, kam sie auf mich zu und schaute mich böse an. Dann brach es aus ihrem Herzen mit voller Überzeugung hervor: »Aus deinen Kindern kann nichts werden, sie sind wie du, und du bist wie deine Mutter!«
    Das hatte gesessen! Dieser Pfeil bohrte sich mitten in mein Herz! Wieder wurde ich grundlos erniedrigt und beschimpft. Und was bitte sollte die Bemerkung über meine Mutter bedeuten? Agnes bebte vor Zorn, ihr Kopf war knallrot, und ich wunderte mich, warum Eberhart in dieser Situation so ruhig blieb. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, doch ich zeigte nichts von meinen Gefühlen, sondern schaute sie nur unverwandt an. Dann ergriff ich mit meinen Händen fest ihre Unterarme und zwang sie, direkt vor mir stehen zu bleiben. Ihre Hände, ihr ganzer Körper bebten wutentbrannt. Mit leiser, aber fester Stimme sagte ich: »Agnes, du hast mich schon gehasst, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Warum nur? Was habe ich dir eigentlich getan? Aber lass meine Familie aus dem Spiel, hörst du, unsere Kinder haben dir schließlich nichts zu Leide getan. Wenn dir etwas an mir nicht passt, dann klär die Sache gefälligst mit mir – meine Mutter und die Kinder haben in unserer Auseinandersetzung nichts zu suchen!« Erst jetzt ließ ich sie los.
    Franz stand wie angewurzelt da, kreidebleich. Dann sagte er zu mir: »Hier haben wir nichts mehr zu suchen. Komm, Julia.« Er griff nach meiner kalten, zitternden Hand und zog mich aus dem Wohnzimmer in den Flur. Schnell schlüpfte er in seinen Mantel, gab mir meine Jacke und zog mich weiter durch den breiten Flur des Treppenhauses zur Haustür hi naus.
    Aber Agnes ließ nicht locker, sie verfolgte uns den ganzen Weg bis zu unserem Auto und redete eindringlich auf Franz ein. »Äußerlich sieht sie wie ein Engel aus, aber in ihrem Herzen ist sie genau wie ihre Mutter. Hast du denn immer noch nicht gemerkt, was für ein Spiel sie mit dir treibt?« Konnte es wirklich sein, dass Agnes so eifersüchtig auf unsere Liebe und Zweisamkeit war? »Du wirst schon noch erkennen, was sie mit dir gemacht hat!«
    Als wir endlich im Auto saßen, liefen mir dicke Tränen übers Gesicht, und ich bekam kaum
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