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Herren der Tiefe

Herren der Tiefe

Titel: Herren der Tiefe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Aber sein Schweigen war
Antwort genug, und das tiefe Entsetzen, das von Mike Besitz
ergriffen hatte, wurde noch stärker.
Er war erleichtert, als in diesem Moment an der Tür geklopft
wurde und Singh, der hünenhafte Sikh-Krieger, die Kabine
betrat – übrigens ganz wie Mike zuvor, ohne eine Antwort auf
sein Klopfen abzuwarten.
»Herr.« Singh machte eine tiefe Verbeugung. »Trautman bittet Euch, zu ihm in den Salon zu kommen.« Er warf einen nervösen Blick auf das Bett, und Mike war nicht ganz sicher, wem
er galt: dem Mädchen oder seinem einäugigen schwarzen Beschützer. »Ich bleibe so lange hier und vertrete Euch.«
Das ist nicht nötig, sagte Astaroths Stimme in Mikes Gedanken. Ich passe auf sie auf. Sie wird nicht aufwachen.
Mike stand auf. »Ich komme«, sagte er. »Und vergiß bitte den Herrn.« Den letzten Satz hatte er rein automatisch hinzugefügt.
Seit der Sikh in sein Leben getreten war und sich als sein Leibwächter, Beschützer und Diener vorgestellt hatte, versuchte Mike ihm sein unterwürfiges Benehmen abzugewöhnen; ebenso
beharrlich, wie Ghunda Singh all diese Versuche ignorierte.
»Wie Ihr wünscht, Herr«, antwortete Singh mit einer abermaligen Verbeugung. Mike verdrehte die Augen, sparte sich aber
jedes weitere Wort, was dieses Thema anging. Statt dessen sagte
er: »Du brauchst nicht hierzubleiben. Astaroth paßt schon auf sie
auf.«
Singh sagte nichts, aber Mike sah ihm seine Erleichterung
deutlich an. Wie allen an Bord – Mike und vielleicht Trautman
ausgenommen – waren sowohl der Kater als auch das Mädchen
Singh ein wenig unheimlich. Wortlos wartete er, bis Mike die
Kabine verlassen hatte, und folgte ihm dann.
Sie gingen die Treppe wieder ein kurzes Stück hinauf und
wandten sich dann nach rechts, um in den Salon zu gelangen –
ein Wort, hinter dem sich weit mehr verbarg als nur ein gemütlicher Aufenthaltsraum. Das war er auch, aber in ihm befanden
sich auch das Steuer und die beiden Pulte mit den kompliziert
anmutenden Kontrollinstrumenten der NAUTILUS – eine Unzahl von Schaltern, Hebeln, Skalen, Zeigern und allerlei anderen
technischen Gerätschaften, bei deren bloßem Anblick einem
schon schwindlig werden konnte. Unter Trautmans Anleitung
hatten Mike und die anderen in den letzten Wochen gelernt,
einige dieser Geräte zu bedienen, aber das bedeutete nicht, daß
sie ihm deshalb weniger unheimlich gewesen wären.
Der Rest des Raumes wurde von einer Anzahl kleiner Tische
und Sessel, behaglicher Sofas und Pulte beherrscht, die den
Raum tatsächlich zu einem Salon machten, in dem man sich
sofort wohl fühlte. Und schließlich war da das gewaltige, runde Fenster, das fast eine ganze Seite des Raumes einnahm. Jetzt
war es durch einen schweren Samtvorhang verschlossen, aber
wenn er aufgezogen war, bot sich dem Betrachter ein wahrhaft
phantastischer Anblick. Durch das Fenster konnte man direkt
ins Meer hinaussehen, in die Tiefen einer Welt, die vor ihnen
vielleicht noch keines Menschen Auge erblickt hatte. Mike
stand manchmal stundenlang hier und betrachtete das fremde,
von vielfältigen Lebewesen bevölkerte Universum jenseits des
zollstarken Glases.
Heute jedoch schenkte er dem Fenster nicht einmal einen
flüchtigen Blick. Trautman und die anderen standen hinter den
Instrumentenpulten. Auf Trautmans Gesicht lag ein besorgter
Ausdruck.
»Was ist los?« fragte Mike. »Sind wir schon aufgetaucht?«
»Nein«, antwortete Trautman, ohne von seinen Instrumenten
aufzublicken. »Und ich fürchte, das werden wir so schnell auch
nicht.«
Mike durchquerte den Salon mit raschen Schritten und trat
neben ihn. Chris, der jüngste seiner vier Freunde, die es zusammen mit ihm auf die NAUTILUS verschlagen hatte, nickte
ihm flüchtig zu, während Ben, Juan und André keinerlei Notiz
von ihm zu nehmen
schienen. Sie alle starrten ebenso gebannt
wie Trautman auf das Instrumentenpult.
»Was ist los?« fragte Mike noch einmal.
Anstelle einer Antwort deutete Ben mit einer Kopfbewegung
auf die runde Glasscheibe, der ihrer aller Aufmerksamkeit galt.
Das Bild, das in leuchtenden Grüntönen darauf zu sehen war,
schien im ersten Augenblick keinen Sinn zu ergeben. Mike und
die anderen jedoch konnten es entziffern, nachdem Trautman
ihnen die Funktion des Gerätes erklärt hatte – für das übrigens
jeder Seefahrer auf der Welt ohne Zögern seine rechte Hand
gegeben hätte. Der kreisende Lichtstrahl, der von der Mitte des
Schirmes ausging, zeigte die genaue Position und Größe von allem,
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