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Herren der Tiefe

Herren der Tiefe

Titel: Herren der Tiefe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hätte ihren Verfolger entdeckt, doch der Schrei des Engländers hatte einen anderen Grund. Sein ausgestreckter Arm
wies zur Meeresoberfläche hinauf, und als Mikes Blick ihm
folgte, da gelang es auch ihm nicht, einen überraschten Laut zu
unterdrücken.
    Der Sturm hatte aufgehört. Noch vor wenigen Sekunden hatte das Meer über ihnen gekocht, aber jetzt lag die Wasseroberfläche so glatt wie ein silberner Spiegel über ihnen. Man konnte
sogar den Umriß der NAUTILUS erkennen, der sich darauf
spiegelte.
    »Aber das ist doch unmöglich!« sagte Juan. »So schnell kann sich ein Sturm doch gar nicht legen…« Er fuhr mit einer hastigen Bewegung zu Trautman herum. »Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Trautman. Er machte eine
hilflose Geste. »Das Gerät muß defekt sein. Wenn das hier stimmt,
dann hätte er uns bereits erreicht. Aber dort draußen ist
nichts.«
    Mike blickte mit wachsender Furcht aus dem Fenster. Das
Wasser war glasklar, und sie konnten sicher zwei- oder auch
dreihundert Meter weit sehen. Er glaubte nicht, daß das Gerät
kaputt war – die NAUTILUS war eine phantastische Maschine,
die ihren Dienst seit Tausenden von Jahren tat. Daß ein so wichtiger Teil ausgerechnet jetzt ausfallen sollte, war mehr als unwahrscheinlich.
    »Seht mal«, sagte Ben plötzlich. Er deutete wieder nach draußen.
Mike blickte angestrengt in dieselbe Richtung, aber das Meer
war noch immer leer. »Ich sehe nichts«, sagte er.
»Eben«, antwortete Ben. »Da draußen ist gar nichts.
Kein
einziger Fisch.«
Mike schauderte. Das Meer, durch das sie glitten, war leer.
Vollkommen leer. Es ist, dachte er, als hätte irgend etwas jegliches Leben in weitem Umkreis vertrieben… Er sah nach rechts,
nach links und dann noch einmal zur Wasseroberfläche hinauf,
und als er das tat, wurde aus seiner Furcht schieres Entsetzen,
das sich wie eine eiskalte Hand um sein Herz legte und es zusammenzupressen begann.
»Trautman«, sagte er. Er hatte Mühe, überhaupt zu
sprechen. Trotzdem klang seine Stimme ruhig. »Ja?«
»Wo ist es jetzt?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Trautman und sah auf.
»Wenn die Anzeige hier recht hätte, dann müßte es überall um
uns herum…«
Er sprach nicht weiter. Seine letzten Worte wurden zu
einem
erstickten Keuchen, als er in die gleiche Richtung sah wie
Mike und die anderen.
Auf der Unterseite des Meeresspiegels war noch immer deutlich der Umriß der NAUTILUS zu erkennen. Aber nicht nur das:
Ein ungeheuerlicher, formloser Schatten griff wie die Hand eines
Riesen aus den Tiefen des Meeres empor und begann das Schiff
zu verschlingen.
    Die Maschinen der NAUTILUS liefen mit voller Kraft. Aus dem
Wimmern war ein dumpfes Dröhnen geworden, so laut, daß sie
schreien mußten, um sich über den Lärm hinweg zu verständigen. Das ganze Schiff vibrierte und ächzte, und manchmal flakkerte das Licht, weil die elektrischen Motoren jedes bißchen
Strom brauchten, den das Schiff aufbringen konnte.
    »Das hat keinen Sinn mehr!« schrie Trautman über den tosenden Lärm hinweg. »Die Maschinen arbeiten fast mit dem Doppelten ihrer normalen Leistung! Ich schalte ab, ehe sie uns um
die Ohren fliegen!« Die Motoren der NAUTILUS kämpften seit
zehn Minuten mit aller Kraft gegen die unheimliche Macht, die
das Schiff gepackt hatte, ohne daß sie auch nur einen Zentimeter von der Stelle gekommen wären. Alles was sie erreichen
konnten, wenn sie weiter versuchten, sich mit Gewalt zu befreien, war wahrscheinlich, die NAUTILUS ernsthaft zu beschädigen. Die NAUTILUS war eine phantastische, sehr robuste Maschine, aber sie war nicht unzerstörbar. Das Dröhnen und Rumoren wurde leiser, sank binnen weniger Augenblicke zu einem Tuckern herab und erlosch dann ganz. Trautman hatte die
Motoren abgeschaltet.
    Mike drehte sich wieder zum Fenster herum. Der Anblick war
seit zehn Minuten der gleiche, aber er hatte trotzdem nichts von
seinem Schrecken verloren. Der lichtdurchflutete blaue Ozean
war verschwunden und hatte einer unheimlichen, weißen Masse
Platz gemacht, die das gesamte Fenster bedeckte. Keiner von
ihnen wußte, was es war – das Zeug war nicht ganz glatt, sondern
von unregelmäßigen Streifen in verschiedenen
Weiß- und
Grautönen durchzogen, und hier und da gewahrte er kleine,
durchsichtige Blasen, die mit irgendeiner Flüssigkeit gefüllt zu
sein schienen. Manchmal bewegte sich die weiße Mauer vor dem
Fenster; auf eine gleitende, zähe Art, als bestünde sie aus Gummi.
    »Was ist das
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