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Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten

Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten

Titel: Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten
Autoren: Michael Frey Dodillet
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Internet praktiziert und nicht im wirklichen Leben.«

    Wenn Luna fremden Hunden begegnet, detoniert sie wie ein Atompilz. Ich stehe währenddessen da wie ein Betonpfeiler im Urlaub und gebe ihr Sicherheit. Oder ich verunsichere sie! Wer weiß das schon. Nicht einmal die Fachwelt ist sich dar über im Klaren. Wir haben in den letzten Jahren unzählige Ex perten und Nichtexperten zu diesem Thema gehört. Ers tere im Rahmen professioneller Hundeschulkurse, Letztere bei Besuchen auf Hundewiesen, wo sie herumlungern und jedem Hundehalter ungefragt ihre Meinung aufs Auge drü cken. Ich kann mir ihre Namen nicht merken. Ich nenne sie der Einfachheit halber alle Krause. Aus ihrer Richtung kommt eine wahre Springflut krauser Theorien, warum die Krawallmaus so ist, wie sie ist.
    Angeblich ist Luna so krawallig, weil sie extrem unsicher, nein, extrem dominant, Blödsinn, extrem ängstlich, ach was, extrem aggressiv ist. Luna flippt nur aus, weil sie keinen Scheff hat, Luna flippt nur aus, weil sie zu viel Scheff hat. Luna zetert, weil ihr die feste Hand fehlt. Luna zetert, weil sie zu hart rangenommen wird.
    Ich als Halter bin wahlweise schuld, weil ich ihre Signale richtig interpretiere und falsch reagiere oder weil ich ihre Signale falsch interpretiere und richtig reagiere oder weil ich ihre Signale komplett übersehe und gar nicht reagiere.
    Madame mobbt andere, weil sie bald läufig wird, gerade läufig ist, gerade läufig war. Weil sie bald scheinträchtig wird, gerade scheinträchtig ist, gerade scheinträchtig war.
    Sie hat zu viel Östrogen. Nein, hat sie nicht. Sie hat zu viel Testosteron.
    Der Ochsenziemer ist schuld. Getrockneter Bullenpenis weckt das Raubtier.
    Ich unternehme zu viel mit ihr. Ich unternehme zu wenig mit ihr.
    Sie ist total überdreht. Sie ist total unausgelastet.
    Ich spreche zu viel mit ihr, ich texte sie zu. Ich spreche zu wenig mit ihr, sie weiß nicht, woran sie ist. Ich führe sie zu eng. Ich lasse ihr zu viel Raum. Ich bin viel zu konsequent. Ich lasse zu oft fünf gerade sein.
    Es könnte aber auch sein, dass es die Hündin an der Schild drüse hat. Oder am Kopf. Oder eine versteckte Epilepsie. Oder dass überhaupt viel zu viel nervöser Schäferhund im Genpool steckt. Dass sie unter impulsverstärkendem Serotonin-Mangel leidet, weil sie nicht mit Pferd biogebarft wird.
    Dass die Sonne scheint und Stress macht. Dass der Regen prasselt und Stress macht. Dass das ganze Leben Stress macht, egal, was für Wetter gerade herrscht.
    »Es liegt eindeutig daran, dass sie zu früh kastriert wurde«, sagt Krause dreihundertfünfundfünfzig.
    »Es liegt eindeutig daran, dass sie zu spät kastriert wurde«, meint Krause dreihundertsechsundfünfzig.
    »Sie ist überhaupt nicht kastriert worden«, sage ich.
    »Das sagt alles«, so Krause dreihundertsiebenundfünfzig.

    »Im Grunde ist es wurscht, welcher Krause nun welche The o rie vertritt«, sage ich und schaufle mir Sahne auf meinen Pflau menkuchen. »In einem haben sie alle recht: Lunas Benehmen anderen Hunden gegenüber ist unter aller Sau.«
    »Das wäre so«, sagt Stella, »als radelten wir durchs Nean dertal und hauten jedem Spaziergänger im Vorbeifahren kommentarlos eine rein.«
    »Nachdem die freundlich Grüß Gott gesagt haben«, sage ich.
    »Das ist ja auch eine unglaubliche Provokation«, sagt Stella.
    »Wo wir doch gar nicht katholisch sind.«
    Meine Kuchengabel kratzt über den Teller. Luna wird wach. Zumindest ihr rechtes Ohr. Es stellt sich interessiert auf und fängt verlockenden Schall ein. Wo Besteck über Porzellan kratzt, könnte etwas zu holen sein.
    »Dieser Hund ist im Wald eine Katastrophe«, sagt Stella. »Und im Haus ein Traum.«
    »Drinnen Frau Dr. Jekyll und draußen Mrs. Hyde«, sage ich und ignoriere tapfer den bettelnden Bumskopf auf meinem Oberschenkel, der der unerschütterlichen Ansicht ist, es müsse auf der Stelle Sahne in ihn hineingestopft werden.
    Gelegentlich kommt mir im Haus eine abgrundtief seufzende Luna entgegen. Sie trägt gelbe Shorts, ein rosa T-Shirt und ein knallrotes Kopftuch. Letzteres ist so fest um die Schlappohren gewickelt, dass die Sonnenbrille – Typ Porno, goldener Rahmen, violette Tönung – tadellos auf der Nase hält und dem Hund erst nach fünf Stufen aus dem Gesicht fällt.
    Sie sieht mich mit herzerweichendem Blick an, und ich frage mich, wie lange dieser sozial angeblich völlig inkompetente, als brandgefährlich verschriene Schäferhundmischling wieder im Kinderzimmer stillgehalten
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