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Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann
Autoren: Sven Regner
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naturlich auch umgekehrt die Frage stellt, warum du dich daruäber wunderst, daß ich um zehn Ühr noch schlafe, wo doch die Frage, warum ich das tue, ebenso leicht mit der Antwort 'warum nicht' beantwortet werden kännte, wenn das uberhaupt eine Antwort ist und nicht etwa eine väollig unzulaässige Gegenfrage!"
    So, dachte Herr Lehmann, das mußte einmal gesagt werden. Wobei es ihm andererseits jetzt, wo er ein bißchen aufgewacht war und er seinem Arger in einer längeren Rede hatte Luft machen kännen, auch ein bißchen leid tat, seiner Mutter so eine Standpauke gehalten zu haben. Er war sich nicht sicher, ob das wirklich hatte sein muässen, es gehoärt sich eigentlich nicht, so mit seiner Mutter zu reden, dachte er, schließlich liebt man seine Mutter, sie hat einem das Leben geschenkt, dachte Herr Lehmann, soviel ist sicher, und daß sie nicht die Hellste ist, ist gewiß nicht ihre Schuld, dachte Herr Lehmann, sie ist eben nur eine einfache Frau, dachte er, obwohl ihm der Begriff 'einfache Frau' dabei unangenehm aufstieß, das ist kein guter Begriff, einfache Frau', dachte er, das ist bourgeoiser Bildungsburgerscheiß, dachte Herr Lehmann. Ernst, willst du nicht mal mit ihm sprechen? Er redet so komisch!" Mutter, was soll das denn jetzt?"
    Aus der Tiefe der fernen Wohnung seiner Eltern war ein abwehrendes Gemurmel zu hären.
    „Immer soll ich ihn anrufen", härte Herr Lehmann seine Mutter sagen.
    Dabei war es doch deine Idee . . . "
    Was jetzt, Mutter, was ist los? Willst du lieber erst mal in Ruhe mit deinem Mann sprechen? Ünd dann spater noch mal anrufen? Denk an die Kosten", spielte Herr Lehmann einen weiteren Trumpf aus.
    Aber seine Mutter häorte nicht zu. Herr Lehmann, der nur mit einer Ün-terhose bekleidet war, und er ging immer mit Ünterhose ins Bett, seit ihm einmal eine fruähere Freundin erklaärt hatte, daß es unhygienisch sei, nackt zu schlafen, und daß die dauernde Kochwaäscherei verschmutzter Laken, um die Herr Lehmann sie im uäbrigen nie gebeten hatte, eme Ümweltsauerei ersten Ranges sei, versuchte die Zeit, in der seine Mutter damit beschaftigt war, einen wahrscheinlich auch schon ins dreißigste Jahr gehenden Konflikt nicht erkalten zu lassen, dadurch zu nutzen, daß er in die Käche hinuberging, um dort unter äaußerster Anspannung beider Telefonschnuäre, sowohl der glatten, aber dennoch stets verwickelten wie auch der von Natur aus spiralfäormigen, einige Gläser Leitungswasser zu trinken und einen Kessel Kaffeewasser aufzusetzen.
    „Hallo, hallo", rief er in den Härer, während er muhsam den Gasherd entzändete, und „Ich bin auch noch da!", während er zwei Läffel Kaffee in einen Becher tat, aber in Wirklichkeit genoß er diese Atempause, trotz der schwierigen Kopfhaltung, die er einzunehmen gezwungen war, um am Ball zu bleiben.
    Du sagst doch immer, daß wir ihn anrufen sollen, und ich soll das dann immer tun."
    Hab . . . nicht . . . "
    „Das ist ja nun die Hohe. Wer hat denn gerade ..."
    „Was kann ich dafär, daß ..."
    „... seit Jahren schon, und immer heißt es hinterher, das hatte ich aber
    "
    Ich habe nicht gesagt, daß . . . , ich habe nur gesagt, daß ihm einer Bescheid . . . "
    Und was soll das nun wieder heißen, daß ihm einer Bescheid sagen muß, wer soll das denn sein, wenn nicht ich?"
    Was Bescheid sagen?" warf Herr Lehmann in den A ä ther, wäahrend er, der er Kaffeemaschinen nicht leiden konnte und sowieso der Meinung war, daß der Filter in der Geschichte des Kaffees einen der größten Irrtumer äberhaupt darstellte, weil der direkt aufgegossene Kaffee viel gesuänder war, schon deshalb, weil auf diese Weise all jene Schwebstoffe, die der Filter sonst zuräck-hielt, dazu beitrugen, die Wirkung des Koffeins uber eine längere Zeit zu verteilen und damit einen negativen Effekt auf den Kreislauf in jeder Form zu verhindern, sich etwas aufgoß, was er, seit seine alte Kaffeemaschine nicht mehr funktionierte, euphemistisch als Cowboykaffee bezeichnete.
    „WAS BESCHEID SAGEN?" schrie er in den Härer, nicht so sehr aus Erregung, sondern in dem schlichten Beduärfnis, dem Wahnsinn ein Ende zu machen. „HALLO, HALLO, MUTTER, HALLO MUTTER, HALLO, MUTTER, MUTTER . . . "
    In diesem Moment, und das war Herrn Lehmann, der eigentlich schon lange nichts mehr darauf gab, was die Nachbarn von ihm dachten, weil er sie allesamt fur asoziale Vollidioten hielt, vor allem dann, wenn sie ihrer Vorliebe fur Kurzgebratenes frönten und das Treppenhaus und manchmal sogar
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