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Hering mit Heiligenschein

Hering mit Heiligenschein

Titel: Hering mit Heiligenschein
Autoren: Claudia Toman
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bin ich nicht dazugekommen, mir einen Kaffee zu kochen, geschweige denn etwas zu essen. Das kleine Asialokal, das mir vorher nie aufgefallen ist, hat mir auf dem Heimweg das Leben gerettet. Mein Kühlschrank ist leer und in den meisten Restaurants gibt es nach elf Uhr nachts nichts mehr zu essen. Und kaum hatte ich das Lokal erspäht, spürte ich ein riesiges Verlangen nach Suppe. Mit letzter Kraft habe ich mich durch die Glastür mit der Aufschrift »Sakura« geschleppt und UdonNudeln mit Meeresfrüchten bestellt. Mit Ei und reichlich Chili-Pulver.
    Jetzt erst bemerke ich, dass der Kellner immer noch neben mir steht. Meine Tasse ist abermals gefüllt, doch der Mann wartet regungslos. Ich sehe ihn fragend an.
    »Probleme?«, meint er lächelnd und deutet auf mein Handy. Japaner vermute ich, die Pseudo-IKEA-Asia-Einrichtung des Lokals und die Schriftzeichen auf den billigen Plastikuntersetzern legen diesen Schluss nahe. Wie die meisten Asiaten ist er dünn, kerzengerade gebaut, mit pechschwarzen Haaren. Nur seine Augen sind ungewöhnlich hell, fast ein Bronzeton. Ich schätze ihn auf ungefähr Mitte dreißig, mein Alter.
    »Nein, nur zu viel Arbeit.«
    Trotzdem mein Magen ungeduldig nach mehr Nahrung verlangt, zögere ich, so unter Beobachtung weiterzuessen. Stattdessen rühre ich mit den Stäbchen in der Suppe um und überlege verzweifelt, ob ich noch irgendetwas sagen soll. Ich bin der einzige Gast. Wenn ich nicht da wäre, könnte Mister Bronzeauge Feierabend machen. Die Nebentische glänzen bereits blitzsauber im Licht der rosafarbenen Laternen. Auch sonst ist niemand zu sehen, das winzige Restaurant scheint ein Einmannbetrieb zu sein.
    »Wie bitte?«, platze ich schließlich heraus.
    Der Kellner schüttelt lächelnd den Kopf. Mir fällt ein Leberfleck seitlich an seinem Kinn auf, der seinem Gesicht eine interessante Ecke verleiht.
    »Ich dachte, Sie hätten etwas gesagt.«
    »Nein. Ich warte nur auf das, was Sie mir sagen wollen.«
    Ist das ein neuer, besonders origineller Anmachspruch? Zugegeben, ich bin nicht auf dem aktuellen Stand, wenn es um Aufrissmethoden geht. Meine wilde Studentenzeit liegt einige Jahre zurück, und seit ich den Laden habe, komme ich sowieso kaum noch dazu, mich in das Wiener Nachtleben zu stürzen. Meistens sitze ich bis neun, halb zehn in der Werkstatt, um den Anforderungen der Kunden nach Expressreparatur gerecht zu werden. Und selbst dann runzeln Männer regelmäßig die Stirn, wenn sie mir ihre heiligen Geräte anvertrauen. »Sagen Sie dem Chef, der CPU ist vermutlich überhitzt.«
    »Das ist bei Wasserkühlung sehr unwahrscheinlich«, antworte ich in solchen Fällen gelassen und ernte dafür den einen oder anderen bewundernden Blick. Darüber komme ich aber nie hinaus, weshalb mein Liebesleben einem unterkühlten CPU ähnelt, dem etwas Hitze ganz gut täte.
    »Und was genau ist es, das ich sagen will?«
    »Wenn ich das wüsste, würde ich ja nicht darauf warten«, antwortet er mit einer leichten Verbeugung, stellt die Teekanne auf meinen Tisch und verschwindet in der Küche. Ich sehe ihm irritiert nach, ehe ich mich endlich heißhungrig auf meine Nudeln stürze.

Leseprobe zu Claudia Toman, Sommerabendtraum
    W arum heiraten eigentlich alle im Sommer? Was bleibt von der zarten, geblümten Seidenromantik, wenn man in beinahe afrikanischer Hitze darum kämpft, in einer viel zu engen Korsage Luft zu bekommen? Der Schweiß, der aus jeder Pore tropft, vernichtet kunstfertige Frisuren ebenso wie hübsche Gesichtsbemalung und sorgt im schlimmsten Fall dafür, dass man einander nicht mehr riechen kann. Und genau da, bei der olfaktorischsten aller Fragen fängt mein Problem an.
    Ich hyperventiliere und zerre am Verschluss des Kleides. Meines Hochzeitskleides, das ich im Winter auf dem Höhepunkt meiner erfolgreichen Glyx-Diät gekauft und in das ich zu diesem Zeitpunkt mit Müh und Not hineingepasst habe. Das war, bevor der Vorbereitungsstress losging, der eine normale Ernährung verhindert hat. Das war auch vor den zahlreichen Festivitäten, denn aus einem unerklärlichen Grund feiern fast alle in meiner Familie zwischen April und Juni Geburtstag. Die Bäckerei unseres Vertrauens gibt uns schon seit Jahren einen Torten-Großeinkaufsrabatt, und die Firma Rennie verdankt uns das berühmte Wiener Frühsommerhoch. Den Todesstoß erhielt mein Hochzeits-Outfit schließlich, als meine Freundinnen am Polterabend ein Cocktailwettmixen veranstalteten, das man nur überleben konnte, wenn man sich
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