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Herbstvergessene

Titel: Herbstvergessene
Autoren: dtv
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werden. Und dann lächelt sie verschmitzt.
    Ich greife mir ein Brot, das dick mit Hüttenkäse und Gurkenscheiben belegt ist, und beiße so herzhaft hinein, wie man in der Zahnpastawerbung in einen Apfel beißt. Die Übelkeitsphase liegt nun hinter mir und ich esse bedingungslos alles, was Erna mir vorsetzt, und so habe ich nicht nur nicht weiter abgenommen, sondern auch schon ein wenig mehr auf die Rippen bekommen. Ich habe das Gefühl, dass mir das ganz gut zu Gesicht steht. Ich denke an Roman und an Wolf und wünsche mir, sie könnten mich so sehen. Und werde gleich ein bisschen traurig.
    »Ich glaube, du solltest diesen Test so bald wie möglich machen lassen«, sagt Erna. Sie ist eine gute Beobachterin.
    »Geht das denn überhaupt? Ich meine, wo das Kind noch gar nicht geboren ist?«
    »Aber ja.«
    »Und wie soll ich das machen? Ich meine, dann müsste ich es ihnen
sagen

    Erna sieht mich an und lächelt schwach. »Das wirst du wohl tun müssen.«
    Ich seufze. Ein unangenehmer Druck baut sich in mir auf. Und ich merke, dass es gar nicht so leicht ist, immer und in jeder Situation ganz offen zu sein. Eigentlich mag ich lieber nicht daran denken, wie es wäre, Wolf zu eröffnen, dass ich auch mit Roman – und mit Roman, dass ich davor noch mit Wolf.
    »Mal was anderes«, sage ich, um vom Thema abzulenken.
    »Hm?« Erna sieht auf.
    »Glaubst du, dass Lore Klopstocks Tod   …« Ich wage nicht, es auszusprechen.
    »Ob Prohacek nachgeholfen hat?«
    »Am Tag vor meiner Rückreise nach Hause hat sie mich angerufen. Sie schien mir etwas Wichtiges sagen zu wollen.«
    Erna seufzte. »Man soll ja nichts Schlechtes über Tote sagen, aber   … die Lore hat sich gern ein wenig wichtiggemacht. Und sie war wirklich schwer zuckerkrank. Hast du nicht bei der Trauerfeier mit ihr gesprochen?«
    »Ja, trotzdem.«
    Wir schweigen eine Weile und jede hängt ihren eigenen Gedanken nach. Plötzlich sagt Erna: »Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass er das war, der das Gas aufgedreht hat, sowohl bei Lilli als auch bei dir.«
    »Das sieht die Polizei genauso.« Ich erschauere bei dem bloßen Gedanken daran, dass Prohacek, während ich schlief, durch die Wohnung geschlichen war. So wie auch die Male vorher, als ich eine fremde Gegenwart gespürt hatte. Das war keine Einbildung gewesen, nein. Das war Prohacek, der nach der Liste gesucht hatte, der einzigen Spur, die mich zu ihm hätte führen können. Und letztendlich auch zu ihm geführt hat. Nur dass die Liste da schon längst in einem Bankschließfach untergebracht war. Und wenn ich es recht bedenke, dann muss es auch Prohacek gewesen sein, der ganz zu Beginn bei Wolf angerufen hatte, um nach mir zu fragen. Die ganze Zeit über muss er gefürchtet haben, dass ich irgendwie von der ganzen Sache erfahren könnte.
    »Was ich allerdings immer noch nicht ganz begreife: Warum hat Sieglinde Sartorius nur diesen Privatdetektiv auf dich angesetzt?«, murmelte Erna in meine Überlegungen hinein.
    »Roman wusste jedenfalls erst mal nichts davon. Und als sie es ihm dann erzählt hat, war er ziemlich ungehalten. Aber dann   …«
    »Ja?« Erna sieht mich fragend an.
    »Dann hat er es wohl als Gelegenheit gesehen, über meine   … sagen wir mal   … Schritte informiert zu bleiben. Sieglinde Sartorius hat ihren Vater jedenfalls nie ganz loslassen können.«
    »Wie meinst du das?«
    »Roman erzählte mir, dass sie es nie verwunden hat   … dass er einfach verschwand. Und dass diese Schmach auf ihrem Vater lastete. Sie hatte panische Angst vor einer Veröffentlichung der Versuchsprotokolle und wollte auf keinen Fall, dass das rauskommt. Der Mann im Park war jedenfalls dieser Privatdetektiv. Und auch die anderen Male, als ich mich verfolgt fühlte   …«
    »Ja, das ist alles unglaublich und es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir   … bis du das richtig verarbeitet hast. Prohacek   … Deine Mutter hat ihm vertraut, sie hat geglaubt, er liebt sie, sie hat ihn sogar das Manuskript lesen lassen und ihm die Unterlagen gezeigt. Dass er sich dann an dem Fonds, den deine Mutter eingerichtet hatte, so frech bedient hat! Und als sie ihm auf die Schliche kam und ihn anzeigen wollte, hat er sie erpresst, dieser Mistkerl!«, sagt Erna und starrt mich grimmig an. Ich bin so froh, dass sie da ist. Allein ihre Anwesenheit hilft mir, das alles zu verkraften. Ich schüttle den Kopf und erwidere ihren Blick. Ja, genauso war es gewesen. Und weil die Geschichte so unbegreiflich ist, werden
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