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Herbstvergessene

Titel: Herbstvergessene
Autoren: dtv
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Erna und ich nicht müde, sie uns immer wieder zurechtzubuchstabieren. Prohacek hatte Mutter die Originalunterlagen entwendet, die letzten Seiten des Manuskripts herausgerissen und ihr gedroht, alles an die Presse zu geben. Und damit sie merkte, dass es ihm ernst war, hat er die ersten fünfzig Seiten an diesen Verlag geschickt.
    In meine Gedanken hinein sagt Erna: »Anfangs schien sein Plan ja auch aufzugehen. Lilli hat geschwiegen. Irgendwann hat sie sich allerdings dazu entschlossen, die restlichen Unterlagen im Schließfach unterzubringen und den Schlüssel Lore Klopstock zur Aufbewahrung zu geben.«
    Ich nicke. »Und nach dem ›Unfall‹ mit dem Gas hat Mutter mich angerufen. Vielleicht hat sie ihm das gesagt und ihm auch eröffnet, dass sie nicht länger schweigen würde. Dass sie mir alles erzählen würde.« Ich richte mich auf, nehme das Schüsselchen mit dem Obstsalat und einen Löffel. »Ich verstehbloß nicht ganz, warum er überhaupt Kontakt zu mir aufgenommen hat. Wäre es nicht klüger gewesen, möglichst nicht daran zu rühren?«
    »So wie ich ihn kenne, wollte er herausfinden, ob du etwas weißt oder ahnst.« Erna rückt ihren Stuhl ein wenig mehr in die Sonne. Dann sagt sie: »Manchmal frage ich mich, ob ich das alles nicht hätte verhindern können, wenn ich dir gleich alles erzählt hätte, was ich wusste.« Sie sieht traurig aus. Leise fügt sie hinzu. »Aber ich habe mich so geschämt. Dafür, dass ich so dumm war, ihm all das Geld zu geben.«
    »Erna«, murmle ich vor mich hin, setze mich aufrecht hin und lege ihr meine Hand auf den Arm. »So etwas darfst du niemals wieder denken!« Und dann sage ich, um sie auf andere Gedanken zu bringen: »Um noch mal auf unser voriges Thema zurückzukommen: Könnte ich nicht einfach so   … ich meine   … ich könnte von ihrer Zahnbürste   … oder reicht nicht ein Haar?«
    »Denk nicht mal im Traum dran«, fällt Erna mir ins Wort und ist auch gleich wieder bei ihrem Lieblingsthema. »Du solltest deine Zukunft nicht auf einer Lüge aufbauen. Du warst mit beiden«, sie räusperte sich, »…   nun, wie sagt man   … zusammen, also wirst du ihnen auch beiden die Wahrheit sagen. Es ist nun mal passiert. Wem willst du die Unbefleckte vorspielen? Und eines müsste dir doch klar sein: Dir selber bekommt das am allerwenigsten. Die werden das schon vertragen. Und wenn nicht, dann halt nicht.«
    Erna sieht sehr entschieden aus, während sie sich ihre Tablette in den Mund steckt und sie mit dem letzten Schluck ihres Tees herunterschluckt.
    »Vielleicht braucht das Kind ja auch gar keinen Vater. Ich meine, ich hatte praktisch keinen. Und Mutter hatte auch nur einen Stiefvater.«
    Erna lacht laut auf.
    »Es ist herrlich zu beobachten, wie du mit dir ringst. Du wirst schon die richtige Entscheidung treffen.«
    »Du meinst, ich werde schon die Entscheidung treffen, die du für richtig befindest.«
    Erna brummt nur. Eine Weile später sagt sie: »Vielleicht bin ich altmodisch. Heute erziehen ja viele Frauen ihre Kinder allein.«
    »Ja«, sage ich und beiße in die zweite Stulle, kaue gründlich und denke an Charlottes Buch. »Es ist alles anders heutzutage. Ich werde es wohl erst einmal kriegen, das Kind. Und wenn es ein Junge wird, könnte ich ihn Paul nennen.«

Dank
    Mein Dank gilt wie immer meiner Mutter, Marlis Jonuleit, für ihre unerschütterliche Unterstützung.
     
    Ich danke Gerhard für seinen Glauben an meine Projekte und dafür, dass er mich bei Sturm und Wind und noch dazu an seinem Geburtstag nach Hohehorst begleitet hat.
     
    Danken möchte ich Edith Müller und Erwin Krombholz: dafür, dass sie mich mit Kaffee und Schokolade bewirtet und mir von damals erzählt haben. Danken möchte ich auch Saied Daryosch-Hamedani: dafür , dass er mich – ganz unkompliziert und einfach so – durch Hohehorst, diesen seltsamen Ort, geführt hat.
     
    Mein besonderer Dank gilt meiner Lektorin, Beate Schäfer, für die wunderbare Zusammenarbeit und dafür, dass sie bis zum Schluss nicht lockergelassen hat!
     
    Anja Jonuleit

Informationen zum Buch
    Für eine Versöhnung ist es zu spät. Zehn Jahre lang hat Maja Sternberg keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter gehabt – jetzt ist Lili tot. Die Polizei in Wien spricht von Selbstmord. Doch daran mag Maja nicht glauben. Von Schuldgefühlen gequält, beginnt sie, die Angelegenheiten zu ordnen. In der Wohnung ihrer Mutter findet sie deren Geburtsurkunde. Der Name des Vaters, der angeblich im Krieg gefallen ist, fehlt.
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