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Henkerin

Titel: Henkerin
Autoren: Sabine Martin
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kaufen sich vom Wehrdienst frei. Ich halte das für gotteslästerlich.«
    Rabenstein nickte. »Ich verstehe.«
    Sie ritten weiter durch die Schlucht. Steil ragten die Felswände auf. Beata hatte Konrad davon überzeugen wollen, die Schlucht zu meiden, aber das hätte einen Umweg und einen steilen Anstieg bedeutet, der mit den Karren und für die Schwangere gefährlich geworden wäre und de Bruce viel Zeit gegeben hätte, ihnen doch noch einen Hinterhalt zu legen.
    Konrad hielt sein Pferd an, stieg ab und zeigte auf ein seltsames Muster im Sand. »Sieht aus, als hätte jemand Spuren verwischen wollen.«
    Rabenstein begutachtete den Boden. »Ich glaube, ein Raubtier hat seine Beute in ein Versteck geschleift. Seht hier.« Er deutete auf einige runde Abdrücke im Sand. »Bärentatzen. Und dort. Blut.«
    Konrad nickte. »Ich sehe schon Gespenster. Ihr habt recht. Lasst uns dennoch einmal hindurchreiten.«
    Rabenstein trieb sein Pferd an, Konrad saß auf und folgte ihm. »Haltet Ihr mich für ängstlich, Rabenstein?«
    Der Ritter grinste. »Nein. Mit Sicherheit nicht. Im Gegenteil. Ich muss zugeben, an Eurer Stelle wäre ich der Hochzeit ferngeblieben.«
    Konrad schüttelte den Kopf. »Das hieße, sich de Bruce zu ergeben. Niemals. Er kann uns nichts anhaben. Seht Euch um. Irgendetwas Verdächtiges?«
    »Ja.«
    Konrad stutzte. »Und das wäre?«
    »Dass es nichts Verdächtiges gibt. Wir sollten die Wachen auf der Höhe verdoppeln.«
    »Das ist kein Problem«, erwiderte Konrad. »Ich werde es anordnen, drei Reiter sollen Ausschau halten. Aber Ihr selbst habt gesagt, dass wir die Schlucht passiert haben, bevor sich aus den Wäldern Gefahr nähern kann.«
    »Richtig. Bis zum Waldsaum sind es gut sieben Bogenschüsse. Selbst im gestreckten Galopp bräuchte ich für diese Strecke genauso viel Zeit wie für die Durchquerung der Schlucht. Ich habe es mehrfach versucht.«
    »Seht Ihr? Lasst uns zurückkehren und melden, dass keine Gefahr droht.«
***
    Raimund pfiff ein fröhliches Liedchen vor sich hin. An heißen Tagen wie diesem würde er sich am liebsten von morgens bis abends in die Sonne legen und einfach nichts tun. Aber die Pflicht rief, er musste noch etwas Quendel finden. Huflattich und Garbenkraut hatte er schon zur Genüge beisammen.
    Er trat zwischen den Bäumen hervor auf die kahle Höhe, beschattete seine Augen und erkundete die Gegend. Am Rande der Schlucht machte er drei Reiter aus, die mit dem Rücken zu ihm standen. Seine Augen waren scharf wie die eines Adlers, so manche Einzelheit konnte er auf diese Entfernung erkennen, die anderen verborgen blieb. Feldzeichen oder Wappen waren nicht darunter. Das verhieß nichts Gutes. Seit einiger Zeit wurde die Gegend von Raubrittern unsicher gemacht, die einen armen Schlucker wie ihn einfach so zum Spaß aufspießen würden, wenn sie ihn vor die Lanze bekämen.
    Er trat zurück in den Schatten der Bäume, der ihn für die Reiter unsichtbar machte. Was immer sie dort suchten, sie waren nicht darauf gefasst, Gefahren zu begegnen, die sich von hinten näherten. Hätte Raimund Übles im Schilde geführt, hätte er sich durch das Gras anschleichen und die drei töten können, ohne dass sie eine Gelegenheit gehabt hätten, sich zu wehren. Den Ersten mit einem Axtwurf. Sobald die Axt geschleudert war, aufspringen und mit dem Bogen den Nächsten abschießen. Bevor der Dritte sein Schwert gezogen hätte, wäre Raimund über ihm gewesen und hätte ihm die Kehle durchgeschnitten.
    Raimund bereute seine Zeit als Söldner nicht, er wäre wohl dabeigeblieben, hätte Gott ihm nicht eines Tages ein deutliches Zeichen gesandt, heimzukehren und das Handwerk seines Vaters zu übernehmen. Mit einer Handvoll Leute war er in einen Hinterhalt geraten, ihr Leben war keinen Heller mehr wert gewesen. Da hatte Raimund dem Herrgott den Schwur geleistet, auf der Stelle nach Esslingen zurückzukehren, wenn er sein Leben und das seiner Kameraden verschonte, und im selben Moment war unerwartet Verstärkung gekommen und hatte sie gerettet.
    Viel gelernt hatte er in jenen Jahren über die Menschen. Nicht nur über ihre Seele, sondern auch über das, was unter der Haut steckte, im Kopf und im Bauch. Sehnen, Knochen, Blut, Adern, Eingeweide, Gehirn. Einigen hatte er das Leben gerettet, vielen mit seinen schmerzstillenden, betäubenden Tränken unnötiges Leiden erspart. Angeekelt hatten ihn die Männer, die über Dörfer herfielen, vergewaltigten, mordeten und brandschatzten. Daran wollte er sich nicht
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