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Henkerin

Titel: Henkerin
Autoren: Sabine Martin
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tun?«
    »Das könnt Ihr in der Tat.«
    »Was auch immer es ist, betrachtet es als erledigt.« Sein Herz schlug so heftig, dass er sicher war, dass sie es hören konnte.
    Sie streckte ihre Hand aus und fuhr mit den Fingern sanft über seine Wange. »Kannst du das denn nicht erraten, Wendel?«
    Und in dem Augenblick begriff er. Er nahm ihr Gesicht in seine Hände, ganz behutsam, so als sei sie eine Erscheinung, die sich bei der Berührung in Luft auflösen könnte, beugte sich vor und presste seine Lippen auf die ihren. »Melissa«, flüsterte er. »Melissa oder Merten oder wie auch immer du heißen magst. Wage es ja nicht, noch einmal einfach so zu verschwinden.«

E PILOG
    Melisande stieß den Spaten in den Boden und wischte sich mit dem Ärmel über die schweißnasse Stirn. Es war vollbracht. Ein wenig frisch aufgewühlte Erde auf einer Lichtung im Wald, mehr war nicht übrig von ihrem früheren Leben. Alles, was an die Tochter des Kaufmanns Konrad Wilhelmis, an den Henker Melchior, an die Magd Mechthild und den Schreiber Merten erinnerte, lag darunter in einem tiefen schwarzen Loch. Das Henkersgewand und die übrigen Kleider, die Wachstafel und auch das Schwert, mit dem sie Ottmar de Bruce getötet hatte, waren für immer begraben. Lediglich das Buch mit den Abenteuern von Gawan und das Fläschchen mit dem Rosenöl hatte sie behalten. Ebenso das Geld, das sie bei de Bruce gefunden hatte. Mit den sieben Pfund Heller und ihren eigenen Goldmünzen konnten sie und Wendel ein neues Leben beginnen. Bereits im nächsten Frühjahr würde ein Teppich aus altem Laub, frischem Gras und Brombeerranken das Versteck überwuchern, sodass niemand es jemals finden würde.
    Ein Knacken ließ Melisande aufschrecken. Sie fuhr herum, starrte auf das dichte Gestrüpp zwischen den Stämmen. Nichts zu sehen. Wieder knackte es. Melisande griff nach dem Spaten. Im gleichen Augenblick brach ein Reh aus dem Wald hervor, blieb verschreckt stehen und witterte, bevor es in entgegengesetzter Richtung davonlief.
    Erleichtert lächelte Melisande.
    Nicht einmal Wendel wusste, wohin sie heute Morgen geritten war. Es gab Dinge, die auch er nicht wissen durfte, Dinge, über die sie auch ihm gegenüber für immer würde schweigen müssen. Bei dem Gedanken an Wendel schlug ihr Herz schneller. Sie musste sich beeilen, sicherlich fragte er sich, wo sie steckte. Womöglich suchte er sie bereits. Sie wollte nicht, dass er sich Sorgen machte.
    Rasch gurtete sie den Spaten am Sattel fest und nahm das Pferd am Zügel, um es zurück auf den Weg zu führen. Am Rand der Lichtung drehte sie sich noch einmal um. Wie ein Grab sah es aus. Das Grab ihrer Vergangenheit.
    Ein Schauder lief ihr über den Rücken, rasch wandte sie sich ab. Sobald sie und das Pferd den Weg erreicht hatten, saß sie auf und galoppierte los.

G LOSSAR
    Bader – Leiter des Badehauses und eine Art Kombination aus Zuhälter und Wundarzt, weshalb seine Tätigkeit, wie die des Henkers, zu den sogenannten unehrlichen Berufen zählte.
    Barfüßer – Bestimmte Ordensgemeinschaften, deren Mönche und Nonnen barfuß oder in Sandalen unterwegs waren.
    Beutelschneider – Diebe, die ihren Opfern den Geldbeutel vom Gürtel schnitten. Siehe Geldkatze .
    Bihänder – Ein Schwert, das man mit beiden Händen führte. Es war bis zu 2 Meter lang und bis zu 6 Kilogramm schwer.
    Bodhran – Eine einfache Rahmentrommel.
    Bogenschuss – Ein Längenmaß, das etwa 150 Metern entspricht.
    Chirurgicus – Der Wundarzt, häufig in städtischen Diensten. Sein Alltagsgeschäft bestand aus dem Verabreichen von Salben, Pulvern und Ölen, dem Öffnen von Geschwüren und Pestbeulen, dem Einrenken von Knochen, dem Schienen von Brüchen und ähnlichen Eingriffen. Chirurgicus war ein Lehr- und Handwerksberuf mit eigenen Zünften, denen oft auch die Bader und Barbiere angehörten.
    Cotte – Ein Schlupfkleid aus Wolle, Leinen oder Seide, das im Mittelalter von Männern und Frauen getragen wurde. Gewöhnlich diente die Cotte als Unterkleid unter dem Surcot.
    Esslinger Eimer – Ein Hohlmaß, das 300 Litern entsprach. Ein Bayrischer Eimer umfasste hingegen etwa 65 Liter.
    Feldscher – Wundarzt, der im Krieg Verletzte versorgte.
    Fuder – Ein Raummaß, das regional sehr unterschiedlich bemessen wurde. In Württemberg entsprach es etwa 17,6 Hektoliter.
    Geld – Das mittelalterliche Währungssystem war von regionalen Eigenheiten geprägt. Hier einige Richtwerte:
    1 Pfund = 240 Pfennige/60 Kreuzer/20 Groschen
    1 Groschen =  12
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