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Henkerin

Titel: Henkerin
Autoren: Sabine Martin
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fluchen. »Seid ihr von allen guten Geistern verlassen? Habt ihr das Loch nicht gesehen? Wollt ihr meine Frau und mein Kind umbringen? Passt gefälligst auf, oder ihr könnt euch woanders Arbeit suchen!«
    Die Plane flog zur Seite, Konrad sprang auf den Karren herauf, kniete vor seiner Frau nieder und schaute sie besorgt an. »Alles in Ordnung, mein Engel?«
    Beata lächelte matt. »Du sollst nicht fluchen, und du sollst mich nicht Engel nennen. Du solltest vielmehr dafür sorgen, dass es bald weitergeht. Ich habe keine Lust, auch noch die Nacht auf diesem hölzernen Foltergerät zu verbringen.«
    Konrad schickte sich nicht an, die Anordnungen seiner Frau auszuführen. Er legte seine Hand vorsichtig auf ihren Bauch. »Da drin alles in Ordnung?«
    Beata schob die Hand zur Seite. »Ja. Geh jetzt, mach den Knechten Beine. Ich brauche ein Bad, mein Bett und viel Ruhe.«
    Melisande hatte schweigend zugesehen und nutzte die Gunst des Augenblicks. »Vater, darf ich zu dir aufs Pferd? Ich bleibe auch ganz ruhig sitzen«, versicherte sie und setzte ihr süßestes Lächeln auf. Normalerweise reichte das aus, ihren Vater zu erweichen. Doch er blieb hart.
    »Du«, er zeigte auf sie, »und deine kleine Schwester, ihr bleibt hier und passt auf Mutter auf. Ich kann euch Flöhe da draußen nicht gebrauchen.«
    »Aber Vater ...« Melisande wechselte von zuckersüß auf Schmollmund.
    Konrad holte tief Luft, gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Wir müssen schnell weiter«, sagte er sanft. »Morgen reiten wir aus. Nur wir beide. Ist das ein Wort, Mel? Du bist doch meine Prinzessin.«
    Melisande fiel ihrem Vater um den Hals und überschüttete ihn mit Küssen. Er lachte und machte sich vorsichtig los. Die Plane fiel, Vater war verschwunden, Melisande kauerte sich zu Füßen ihrer Mutter nieder und schloss die Augen. Sie dachte an die Hochzeitsfeier, an das viele gute Essen, die Musik und die ausgelassenen Tänze. Das Gesicht der Braut. Sie hatte eher verschreckt als fröhlich dreingeblickt. Vier Tage hatte das Fest gedauert. Wie wohl ihre eigene Hochzeit aussehen würde? Und ihr Bräutigam? Er müsste ein Ritter sein, so gut und schön wie der edle Gawan ...
    Die Bilder begannen vor Melisandes Augen zu verschwimmen. Dann war sie eingeschlafen.
***
    Konrad schwang sich auf sein Pferd. Nur noch eine halbe Meile bis zum Hohlweg. Aber er ließ den Zug noch nicht losfahren. Rasch winkte er von Rabenstein zu, er solle ihm folgen. Sie galoppierten an den Kopf des Zuges, vorbei an den mit dem Gepäck der Reisegesellschaft schwer beladenen Wagen und an den Fußsoldaten, deren vernarbte Gesichter Zeugnis davon ablegten, dass sie so manche Schlacht und so manche Krankheit überlebt hatten. Konrad hielt sein Pferd an. »Ich will mir die Schlucht noch einmal selbst anschauen.«
    Rabenstein nickte. »Wie ihr meint. Aber die Späher haben jeden Stein umgedreht.«
    »Dann drehe ich sie ein weiteres Mal um, damit ich mir sicher bin, dass sich keine Schlangen darunter verbergen. Kommt mit!« Konrad ließ sein Pferd im Schritt gehen und spähte nach allen Seiten.
    Rabenstein schloss zu ihm auf. »Darf ich Euch eine Frage stellen?«
    Konrad nickte, ließ seinen Blick aber weiterhin über die Wände der Schlucht gleiten.
    »Ihr seid Händler, und dennoch kennt ihr Euch mit dem Kriegshandwerk gut aus. Euer Sohn ist bereits ein großer Kämpfer, und Ihr wisst mit dem Schwert umzugehen wie ein Soldat. Die kleine Armee, die ihr zusammengestellt habt, ist schlagkräftig, die Männer sind keine dahergelaufenen Söldner, sondern von gutem Ruf. Die Auswahl der Waffen und die Staffelung sind ebenfalls eines Hauptmanns würdig. Wie kommt Ihr dazu?«
    Konrad lachte grimmig. »Seit Generationen liegen unsere Familie und die Familie de Bruce in Fehde. Mein Ururgroßvater war kein Händler, sondern Soldat. Er stammte nicht aus einem adligen Haus, also musste er durch Können wettmachen, was ihm das Schicksal verweigert hatte. Er brachte es bis zum Hauptmann, der von seinen Männern geachtet und geliebt wurde. Mit Richard Löwenherz zog er gegen Saladin und besiegte ihn in der Schlacht von Arsuf. Dennoch kehrte mein Ururgroßvater nicht aus dem Morgenland zurück. Ein de Bruce erschlug ihn von hinten im Streit um die Beute. Ihr könnt Euch vorstellen, dass die Fehde unausweichlich wurde. Damit wir uns verteidigen konnten, wurde das Kriegshandwerk fester Bestandteil der Erziehung eines jeden Wilhelmis. Außerdem bin ich Hauptmann der Zunftwehr der Tuchhändler. Manche
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