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Henker-Beichte

Henker-Beichte

Titel: Henker-Beichte
Autoren: Jason Dark
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unseren Breiten eine andere gibt als damals in Ihrem Land.«
    »Sie haben was?« keuchte er.
    »Soll ich es wiederholen?«
    »Nein. Was ist mit Drack?«
    »Er wollte mich aufhalten. Ich war um eine Idee schneller. Sie haben verloren, Okuba.«
    Noch immer drehte er mir den Rücken zu. Ich sah, wie er zitterte. Er holte laut Atem. Er überlegte, ob das stimmen konnte, was ich gesagt hatte, und wahrscheinlich dachte er auch darüber nach, daß Drack nur aufgehalten werden konnte, wenn man ihn tötete. »Sinclair!« hörten wir ihn alle keuchend sagen. »Verflucht noch mal, Sinclair, was ist mit Drack geschehen? Wo befindet er sich?«
    »Dort, wo Sie den Wagen abgestellt haben. Ich würde sagen…«
    »Gar nichts würden Sie sagen, gar nichts. Vergessen Sie nicht, daß ich eine Waffe in der Hand halte, die bereit für einen Genickschuß ist. Möchten Sie diesen Mann opfern?«
    »Nein!«
    »Sehr schön, sehr schön.« Er sprach und zitterte dabei. »Wenn Sie ihn nicht opfern wollen, dann verschwinden Sie aus diesem Haus! Machen Sie, daß Sie wegkommen…«
    »Ich werde gehen!«
    »Dann los!«
    »Nicht ohne das Beil!«
    Mit dieser Antwort hatte er beim besten Willen nicht gerechnet. Für einen Moment bewegte er sich nicht. Er sagte kein Wort mehr, er war einfach überrascht, und wahrscheinlich hatte er auch gezuckt, zumindest seine Hände, denn der Templer, der den Druck der Waffe auf seiner Haut spürte, riskierte alles.
    Blitzschnell warf er sich nach rechts.
    Okuba schoß.
    Ein Schrei folgte. Vielleicht hatte er den Mann noch erwischt, hoffentlich nicht tödlich.
    Aber auch ich war nicht untätig geblieben. Obwohl mir der Mann den Rücken zudrehte und ich eigentlich niemandem keinen Menschen in den Rücken schießen wollte, drückte ich ab, weil ich es einfach tun mußte.
    Ich schoß dem Mann in die rechte Schulter, bevor er selbst einen zweiten Schuß abgeben konnte.
    Der Afrikaner reagierte nicht wie ein Geist oder ein Dämon, der handelte wie ein Mensch. Das geweihte Silber steckte in seiner Schulter, und die Aufprallwucht der Kugel hatte ihn um die eigene Achse gedreht. So war er an der Wand entlang gerutscht. Er starrte mich jetzt an, und sein rechter Arm hing steif wie ein Holzbrett nach unten. Die Waffe hielt er fest, es war eine Luger-Pistole, die in diesem Augenblick zu schwer für seine Hand wurde. Das Zittern der Finger sorgte für eine Entkrampfung der Faust, und die Pistole rutschte an der Handfläche entlang nach unten, wo sie auf dem Steinboden landete und von einem Templer aufgehoben wurde.
    Der erste Schuß hatte den Bedrohten noch während seines Falls getroffen. Die Verletzung war nicht lebensgefährlich, die Kugel steckte in seinem linken Oberschenkel fest. Der Mann hatte das Bein angezogen, er lag auf der Seite und unterdrückte nur mühsam den Schmerz.
    Ich hätte mich um ihn gekümmert, wenn nicht – ja, wenn sich nicht bei Okuba etwas abgespielt hätte, das mir und auch den Templern den Atem stocken ließ.
    Der Afrikaner war nicht zu Boden gefallen. Er hatte sich mit dem Rücken gegen die Gangwand gedrückt, stand sogar im Licht, und wir alle konnten sein Gesicht erkennen.
    War es noch sein Gesicht?
    Keiner wußte es, denn aus den Poren seiner Haut kroch etwas hervor, das wie ein altes, zweites Gesicht aussah, eine geisterhafte Botschaft aus der Welt der Toten…
    ***
    Für den Bruchteil einer Sekunde spürte der Abbé das Gefühl des Triumphes wie einen Adrenalinstoß durch seinen Körper schießen. Er hatte es geschafft, er hatte das Beil an sich gerissen, er konnte es führen, und er würde es vernichten.
    Dieses Gefühl änderte sich radikal. Plötzlich ging er zurück, ohne es zu wollen. Irgend etwas war in sein Gehirn eingedrungen und hatte es ihm befohlen.
    Er taumelte weiter und näherte sich dem Fenster, und plötzlich blieb er stehen.
    Auguste Cresson hatte ihn beobachtet und jede seiner Bewegungen mitbekommen. Der Henker konnte nicht begreifen, was sich da vor seinen Augen abspielte. Der kleine Mann hielt das Beil so hoch über seinem Kopf, daß die Klinge beinahe gegen die Decke kratzte. Zudem wirkte diese Waffe in seiner Hand wie ein Fremdkörper, sie gehörte nicht mehr zu ihm, aber auch nicht mehr zu Cresson.
    Was tat Bloch?
    Auguste Cresson wurde von einer Unsicherheit gepackt, mit der er nicht zurechtkam. Er hatte fliehen wollen, dann diesen Gedanken wieder verworfen. Jetzt stand er da und starrte einen Mann an, dessen Gesicht dabei war, sich zu verändern.
    Das war nicht mehr
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