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Henker-Beichte

Henker-Beichte

Titel: Henker-Beichte
Autoren: Jason Dark
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Henkersbeils ab…
    ***
    Okuba hatte nach einem Versteck gesucht und es auch gefunden. Der Ort war finster und bot Schutz. Alet-les-Bains war immer ein recht verschlafener Ort gewesen und es auch geblieben. Man hatte die alten Bauten so stehenlassen, die Gärten ebenfalls, und es waren nur hin und wieder neue Mauern hochgezogen worden, um die Pflanzen vor den Winden zu schützen.
    Das Kloster der Templer-Brüder, das so gar nicht wie ein Kloster aussah, sondern eher wie ein kleiner Bauernhof mit verschiedenen Stallungen, befand sich auf dem flachen, normalen Boden. Erst hinter den Gebäuden stieg das Gelände an, ein schmaler Weg führte einen Hang hoch, und den hatte der Afrikaner benutzt. Er war über eine weiße Mauer geklettert, stand in einem fremden Garten, konnte aber, wenn er wollte, auf das Refugium der Templer hinabschauen.
    So wartete er.
    Gleichzeitig wußte er, wer sich hinter den Mauern versteckt hielt. Der Henker hatte Schutz bei irgendwelchen Freunden gesucht, aber er würde ihn nicht bekommen. Nichts konnte ihn mehr vor seiner eigenen Waffe schützen, denn die Kräfte, die gegen ihn standen, waren stärker und mächtiger als er.
    Okuba spürte den Kontakt, der sich allmählich aufbaute. Er merkte, wie er zunächst innerlich zitterte, es dabei aber nicht blieb und das Zittern seinen gesamten Körper überlief.
    So war es immer gewesen, so hatte er es gekannt, denn nun stand der Kontakt mit seinem Vater dicht bevor. Er hatte sich am frühen Morgen noch einmal gereinigt. Den Körper als auch die Seele von allen anderen Belastungen befreit, so daß die Rache nun durchgeführt werden konnte.
    Er mußte einfach so handeln, um das Beil lenken zu können.
    Noch hielt er es fest. Mit beiden Händen hatte er den Griff gepackt. Es lag waagerecht vor ihm, die scharfe Schneide wies zu Boden.
    Okuba stand in seiner völligen Erstarrung und hielt den Kopf gesenkt. Er merkte, wie der Geist des Vaters, aus dem Unsichtbaren kommend, Einfluß gewann. Das Sprechen der alten Totenformeln hatte sich gelohnt. Er hatte den vermoderten Körper zwar nicht aus der Grube holen können, aber der Geist war da.
    Und er drang ein.
    Der Mann aus Afrika spürte den Druck in seinem Kopf und wußte, daß dies der Anfang war. Das Fremde und das Vertraute zugleich hatten von ihm Besitz ergriffen. Okuba wußte nicht, ob er noch der Sohn oder schon der Vater war. Wahrscheinlich beides.
    Vater und Sohn in einem.
    Zusammengeschmolzen zu einer Person, die nur noch ein Ziel kannte.
    Rache! Rache an dem Menschen, der seinen Vater auf eine derartig unwürdige Weise vom Leben in den Tod befördert hatte.
    Noch umschlangen seine Finger den Griff des Beils. Okuba wußte, daß die Waffe seine Stütze bald nicht mehr brauchen würde, und er versuchte es.
    Er ließ das Henkersbeil los!
    Es fiel nicht zu Boden. So wie er es gehalten hatte, schwebte es in der Luft.
    Der Schwarze lächelte. Er drehte den Kopf so, daß er gegen den schattigen Himmel schauen konnte, als wäre dort eine Botschaft für ihn verborgen.
    Die Augen weiteten sich. Sie nahmen an Glanz zu, der Mund zog sich in die Breite, produzierte ein Lächeln.
    »Ja«, sagte er, »ja, gehorche ihm und gehorche mir. Finde deinen Weg, um zu töten.«
    Das Beil bewegte sich. Es stieg in die Höhe – er sah es nur für Sekunden –, dann löste es sich auf. Seine Umrisse verschwanden, dafür entstand der Schatten des Beils, was sehr wichtig war, denn nun gab es weder Mauern noch Wände, die es auf seinem Weg der Rache aufhalten konnten.
    Okuba war zufrieden. Und mit dieser Zufriedenheit in seinem Innern verließ er den Garten. Er war nicht feige, denn er wollte sich dem Ziel nähern, das er seinem Beil befohlen hatte. Er wollte vor allen Dingen eines: der Tötung des Henkers beiwohnen.
    ***
    Ich hatte die beiden Templer weggeschickt, weil ich sie aus Gründen der Sicherheit nicht in meiner Nähe haben wollte. Ich stand auf der Liste weit oben, und die Gefahr war nicht geringer geworden, obwohl es Drack nicht mehr gab.
    Dafür mußte ich mit Okuba rechnen und natürlich mit seinem Beil. Wie ich es stoppen sollte, wußte ich selbst nicht. Vielleicht mit dem Kreuz, das nicht mehr vor meiner Brust hing, sondern in der Tasche steckte.
    Dort hatte ich es griffbereit.
    Alet-les-Bains bereitete sich auf die Nacht vor. Zwar hatte sich das Licht des Tages noch nicht restlos zurückgezogen, aber der Himmel war bereits vom dunklen Glanz überzogen worden, der mich an ölige Asche erinnerte. Die helleren
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