Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Held zum Verlieben

Held zum Verlieben

Titel: Held zum Verlieben
Autoren: S Sala
Vom Netzwerk:
rennen würde. Als er jedoch reglos stehen blieb, zuckte Joe gleichgültig die Achseln und hielt sich am Treppengeländer fest, um nicht zu fallen. Normalerweise rannte sein Sohn doch immer heulend davon, wenn er eine Tracht Prügel bekommen hatte. Diese Reglosigkeit wurde ihm jetzt doch unheimlich. „Du bist selbst schuld“, nuschelte er unbehaglich.
    Jack holte langsam und behutsam Luft. Lieber würde er sterben, als seinen Vater wissen zu lassen, dass er ihm wehgetan hatte.
    Joe sah zu, wie sich ein dicker Blutstropfen unter Jacks Nase bildete. Er wurde nervös. Wenn Jack morgen in diesem Zustand zur Schule ging, würden sich die Behörden vielleicht in sein Privatleben einmischen. Und Joe hatte zu viel zu verlieren, als dass er das zulassen würde.
    Seine Frau war schon vor längerer Zeit gestorben, erschöpft von den Jahren an seiner Seite. Nur deshalb hatte er den Jungen allein auf dem Hals. Dennoch hatte der Kleine auch etwas Gutes: Bis zu dessen achtzehntem Lebensjahr gab es jeden Monat einen ordentlichen Scheck vom Sozialamt. Und genau dieses Geld brauchte Joe, um die Miete zu zahlen und sich mit ausreichend Bier zu versorgen.
    Sogar im betrunkenen Zustand war ihm klar, dass er dieses Geld verlieren würde, wenn man ihm das Sorgerecht für seinen Sohn nahm. „Wage es ja nicht, zu deinen Lehrern zu laufen und zu petzen“, herrschte er das Kind an. „Die werden dir nämlich sowieso nicht helfen. Und weißt du auch, warum? Weil du Müll bist. Nichts anderes als Müll.“
    Der Junge war doch nichts weiter als ein Weichling, ein Versager. „Ich bin müde. Ich gehe jetzt schlafen.“ Und damit stieg er die Treppe hinauf. Auf halbem Wege durchschnitt Jacks Stimme die Stille.
    „Dad!“
    Joe drehte sich um und blinzelte betrunken in das Halbdunkel. Sein Sohn war nur ein vager Schatten.
    „Was willst du?“
    „Vergiss nicht zu beten, bevor du ins Bett gehst.“
    „Was soll der Quatsch?“
    „Wenn du schläfst, werde ich dich umbringen.“
    Das klang nicht wie eine Drohung, sondern wie eine Feststellung. Jacks Stimme war eiskalt. Und als er in den Lichtkreis trat, der aus der Küche in den Keller fiel, war der Hass, der auf seinem Gesicht geschrieben stand, so überwältigend, dass Joe instinktiv einen Schritt zurückwich. Er versuchte zu lachen. Jack war doch nichts weiter als ein kleiner Junge. Trotzdem packte ihn eine panische Angst. Er hastete hinauf in die Küche, sein Herz raste, der Magen zog sich zusammen. Joe schwankte gefährlich und er wusste, dass er gleich umkippen würde.
    Wenn du schläfst, werde ich dich umbringen
. Die Worte hallten in seinem Kopf. Er hörte Schritte auf der Kellertreppe, stürzte aus dem Haus, in den Garten und durch das Gebüsch hinaus auf die Straße. Eine aufgescheuchte Katze warf einen Mülleimer um, Joe stolperte dagegen, der Eimer schepperte, und der Nachbarhund bellte Alarm. Joe blieb kurz keuchend stehen und sah hinter sich. Hatte sich da nicht etwas bewegt? Ihm war, als würde sein Herz aussetzen. Er nahm die Beine in die Hand und versteckte sich schließlich im Stadtpark, wo er in einen tiefen Alkoholschlaf fiel.
    Als die Behörden Jack dann einige Tage später abholten, fühlte sich Joe nur erleichtert. Und der Junge war froh, dass sein Vater endgültig aus seinem Leben verschwunden war. Er hatte keine Angst, ohne Familie aufzuwachsen – was ihn anging, so war er schon jahrelang allein gewesen. Er hatte zu Gott gebetet, dass er ihm helfe, aber nach dem, was im Keller geschehen war, war er überzeugt, dass auch Gott ihn verlassen hatte.
    Ein lautes Klirren in der Bar ließ Jack zusammenfahren. Er blinzelte leicht desorientiert und betrachtete den Mann im Spiegel, der das Glas nur Zentimeter vom Mund entfernt hielt. Er schüttelte sich entsetzt. Er musste etwas ändern. Sofort. Sonst würde er noch wie der Mann werden, den er abgrundtief hasste.
    Abrupt stellte er das Glas ab, ohne davon getrunken zu haben. Er warf etwas Geld auf den Tresen und trat entschlossen hinaus auf die Straße. Sein Chef hatte recht. Er spielte tatsächlich mit seinem Leben. Warum das so war, wusste er nicht, aber auf keinen Fall konnte er so weitermachen. Zumindest nicht, wenn er leben wollte.
    Jack lief noch stundenlang ziellos durch die Straßen. Er überlegte, welche Möglichkeiten er hatte, um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Seine Miete war bis zum Ersten des nächsten Jahres bezahlt, und die Nebenkosten wurden direkt von seinem Konto abgebucht. Er war niemandem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher