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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind
Autoren: Heinz G. Konsalik
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standen Stapelhorst und zwei andere Studenten am Einstieg und banden sich Taschenlampen an Bändern um die Stirn. Sie trugen Trainingsanzüge, feste Schuhe und eine Pistole im Gürtel. »Nur für den Notfall«, sagte Stapelhorst, als Pjetkins Blick die Waffen streifte. »Nur, wenn die drüben zuerst schießen …«
    Schaufeln und Hacken wurden von hinten angereicht. Die drei Männer nahmen sie in die Hände und gingen zum Einstiegsloch. Draußen vor dem Haus warteten im Dunkel einige Autos. Eine Patrouille aus vier Studenten pendelte dauernd auf der Straße auf und ab.
    »Der Gang ist so gut wie möglich abgestützt«, sagte Stapelhorst. »Aber man kann nie wissen, was nachfällt. Also los! Drückt uns die Daumen …«
    Pjetkin trat vor. Hinter ihm waren jetzt vier andere Männer erschienen und lehnten an der feuchten Kellerwand. Verwandte der Flüchtlinge, die man herüberholen wollte. Aus dem Schacht roch es nach Moder und Kloake. »Nehmen Sie mich mit«, sagte Pjetkin.
    Stapelhorst drehte sich herum. Er hatte bereits einen Schritt in den Tunnel getan. »Ausgeschlossen!«
    »Ein Arzt könnte im Notfall helfen.«
    »Wenn hier ein Notfall eintritt, hilft kein Arzt mehr. Entweder gelingt es – oder wir gehen alle hoch. Genau werden wir das erst wissen, wenn wir drüben sind. Stehen die Vopos am Ausgang, werdet ihr das Schießen hören. Da helfen auch Ihre Pflaster nicht mehr, Doktor. Macht dann nur eins: Reißt die Stützen ein, Vernichtet alles. Den Gang zu! Es hat dann keinen Sinn mehr, zu warten … Also los!«
    Stapelhorst glitt als erster in das schwarze Loch. Der Gang war so hoch, daß er gebückt gehen konnte. Er winkte noch einmal mit dem Kopf, die Taschenlampe vor seiner Stirn schaukelte, ihr Licht warf bizarre Schatten in den Keller, dann verschluckte ihn die Dunkelheit.
    Die beiden anderen folgten ihm dicht … eine Weile hörte man das leise Klappern der Schaufeln und Hacken und ein klatschendes Geräusch.
    Wasser im Tunnel. Nicht hoch, eine dünne Schicht nur. Und wieder warten … warten … in Dunkelheit, in lähmender Stille, gemartert von den eigenen Gedanken und Ängsten. Sie lauschten wie Tiere, jedes Knacken war wie ein Schuß, jeder Atemzug wie ein Schrei.
    War da nicht ein Laut? Rief jemand? Ein Schuß? Nein … fernes Motorengeknatter, ein paar Motorräder, keine Maschinenpistolen …
    Warum kommen sie nicht zurück … warum kommen sie nicht … Herrgott, warum ist da unten alles so still …? Pjetkin saß auf einer Kiste und starrte in das schwarze Loch. Seine Nervosität war von ihm abgefallen von dem Augenblick an, wo er den Keller betreten hatte. Er wunderte sich über seine Ruhe, die klaren Gedanken, mit denen er jetzt das Warten ausfüllte. Hinter und neben ihm schabten die anderen Männer unruhig mit den Füßen … Er dachte daran, ob Dunja auch im Robert-Koch-Krankenhaus arbeiten konnte. Prof. Limbach würde das sicherlich bei der Verwaltung durchsetzen, und Marko konnte als Krankenpfleger eingestellt werden. Sie fehlten auf jeder Station, man würde glücklich sein, einen Fachmann wie Godunow zu bekommen. Eine sichere Zukunft … nur von dem Heimweh darf man nicht sprechen, wenn man an die Steppen und Wälder des Amur denkt.
    Ein Schaben, ganz weit weg, ein feines leises Klappern. Fast körperliche Unruhe, die aus dem gähnenden Loch quoll.
    »Sie kommen …«, stotterte ein Mann hinter Pjetkin. Und plötzlich weinte der Mann, legte die Hände vors Gesicht, drückte sich gegen die Kellerwand und schluchzte. »Sie haben es geschafft. Sie kommen … hört ihr … sie sind da …«
    Ein Kopf tauchte aus der Höhle auf, ein Frauenkopf in einem Kopftuch … die Männer griffen zu und zogen die Frau heraus … Ihr folgte ein Kind, ein Mädchen, es trug eine große Puppe im Arm und hatte ein Handtuch um den Puppenkörper gewickelt … dann ein Junge, drei Männer mit Eisenstangen in den Händen, ihre verkniffenen Gesichter lösten sich zu einem hilflosen Grinsen, als sie im Schein der Taschenlampen standen. Sie warfen die Eisenstangen weg, umarmten die Männer im Keller und dann die Frau und die Kinder.
    »Is det een Jefühl …«, sagte einer von ihnen. »Justav, ick hab plötzlich keenen Druck mehr im Nacken –«
    »Platz da!« kommandierte jemand am Loch. »Die anderen wollen auch raus! Haut ab nach oben! Hier ist doch keine Stehbierhalle! Rauf in den Hausflur! Nur Männi und der Doktor bleiben hier –«
    Getrampel auf der Holztreppe. Gedämpfte Stimmen. Dann wieder Ruhe, so
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