Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Dort heiraten wir! Sorgt dafür, Genossen, daß Dunja mit mir kommt, sonst können sie in Berlin ihre Mikrogeräte als Pillen gegen Darmträgheit schlucken!‹ Nun läuft der Antrag, und da man den Genossen Schulkow braucht, wird es sicherlich eine Einigung geben.
    Mein Söhnchen, wirf nicht den Kopf an die Wand … du bekommst Dunja wieder, wie du sie verlassen hast. Sie wird nicht abgenutzt sein, denn Pawel Urbanowitsch weiß, daß er sein Täubchen nur in der Hochzeitsnacht ins Bett bekommt, nicht eine Stunde früher. Sie hat es ihm gesagt, ein sittsames Vögelchen, gib es zu. Warte auf eine neue Nachricht. Ich habe einen Freund entdeckt, einen Straßenräuber und Strolch, der einen Weg nach Rußland kennt. Durch die karelischen Wälder schlichen wir uns hinüber. Habe Geduld … ich umarme Dich, mein Söhnchen.«
    Es war der letzte Brief. Die Verbindung zu Marko brach ab. Verzweifelt schrieb Pjetkin viermal an Godunow … die Briefe nach Lappeenranta kamen als unzustellbar zurück. Einige Anrufe im Beerdigungsinstitut ›Pietät‹ lockten nur Vaiiko Halunääin an den Apparat, er schnaufte und beklagte sich über den untreuen Mitarbeiter, Herrn Godunow, der ans Meer fahren wollte und nun nicht mehr zurückgekommen sei. Sogar eine alte Hose habe er hiergelassen.
    »Ich werde sie verbrennen«, sagte Halunääin. »Oder glauben Sie, Herr Godunow kommt wieder?«
    »So wie Sie die Lage schildern – kaum.«
    »Er war ein so begabter Mensch. Er hatte Hand für Leichen, eine Naturbegabung. Stellen Sie sich das nicht leicht vor, mein Herr … auch Tote stellen hohe Ansprüche.«
    Warten … warten … vier Wochen … sechs Wochen … Schweigen. Ein Beweis, daß sich Marko an Dunjas Fersen geheftet hatte?
    Pjetkin wurde nervöser, als es ein Arzt sein durfte. Prof. Limbach verstand ihn … er ließ ihn nur Stationsdienst machen und befreite ihn von den Operationen. »In Ihrem Zustand nähen Sie eine Zehe als Nase an«, sagte er und winkte ab, als Pjetkin Erklärungen geben wollte. »Keine großen Worte, Herr Kramer, ich stelle mir vor, ich sei dreißig Jahre jünger und meine Braut ist drüben im Osten. Haben Sie schon einen Plan, wie Sie die Dame herüberholen?«
    »Ja.« Pjetkin zögerte.
    Prof. Limbach merkte es sofort. »Sie möchten nicht darüber sprechen?«
    »Nein, Herr Professor. Es macht mich völlig verrückt.«
    »Ist es gefährlich?«
    »Ja.«
    »Riskieren Sie nicht zuviel, Herr Kramer?«
    »Ich setze alles aufs Spiel … aber ich will ja auch alles gewinnen: Dunja.«
    »Sie muß eine wundervolle Frau sein.«
    »Man kann sie nicht beschreiben …«, sagte Pjetkin leise. Er drehte sich um und rannte davon. Es war unmöglich, ihm das übelzunehmen.
    Man fragt sich manchmal, warum Dinge geschehen, die eigentlich unmöglich sind. So war's auch hier … eine Dienststelle genehmigte die Mitreise Dunja Dimitrownas mit ihrem Bräutigam nach Ost-Berlin. Man hatte sogar eine Arztstelle für sie besorgt: Im sowjetischen Militärhospital Karlshorst übernahm sie die Poliklinik und die ambulante Behandlung. Irgendwo in Moskau schien man falsch zu denken, anders war es nicht erklärbar. Man sagte sich dort: Aha! Sie heiratet! Endlich wird sie vernünftig. Sie hat Pjetkin vergessen. Aus den Augen, aus dem Sinn … das gilt auch in Rußland. Damit ist die Affäre gelöst. Ein braver, fleißiger Mann, der Genosse Schulkow. Er wird eine liebe Frau bekommen. Gratulation, Pawel Urbanowitsch. Je schneller Sie heiraten, um so besser. Weg mit Ihnen nach Pankow … Und nun laßt uns gemütlich miteinander ein Pfeifchen rauchen, Freunde … Man muß nur warten können, seht ihr's nun?
    Anfang Oktober suchte Heiner Stapelhorst gegen Abend Pjetkin im Krankenhaus auf. Er fand einen Mann, der vor Nervosität mit den Händen zitterte.
    »Doktor, wir stehen vor den letzten Metern, dann sind wir im Keller des Hauses Dresdener Straße. Es läuft alles glatt. Haben Sie von Dunja etwas gehört?«
    »Nichts«, sagte Pjetkin mit abwesendem Blick. »Nichts. Ich warte noch immer …«
    »In einer Woche kann es soweit sein, Doktor.« Stapelhorst hatte Mitleid mit dem Arzt, aber der Tunnel wurde nicht für Dunja gegraben, sondern für mittlerweile fünfunddreißig Personen. Frauen, Kinder, Männer, Greise … fünfunddreißig Menschen, die wie Maulwürfe in die Freiheit kriechen sollten.
    Pjetkin war dürr geworden, als habe er die Auszehrung. Er sprach kaum noch, flüchtete sich zu seinen Kranken und umhüllte sich mit deren Leid, um sein eigenes
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher