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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt
Autoren: Robert Tibber
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Schlingpflanze verdunkelt wurden. Eine schwarze Katze sprang über die Hecke und kreuzte meinen Pfad, ohne mich eines neugierigen Blickes zu würdigen.
    Auf der Türschwelle stellte ich mein neues Arztköfferchen ab und suchte in meiner Tasche nach dem Hausschlüssel. Ich fand meine Pfeife, eine Ampulle mit destilliertem Wasser, zwei Golfbälle und einen von Sylvias Lippenstiften (das kam daher, weil sie so ungern eine Handtasche trug), aber keinen Schlüssel. Mir wurde heiß unter dem Kragen, während ich mich im Geiste schon nach Frinton zurückfahren sah; da fiel mir ein, daß ich ihn am Abend zuvor irgendwohin versorgt hatte, um ihn ja nicht zu vergessen. Ich ließ den Deckel meines Köfferchens aufspringen, und da lag er richtig in einem der kleinen Fächer, unter meinem Rasierapparat und einem Bündel von Sylvias Briefen.
     
    Es war jemand im Hause! Das spürte ich, sobald ich die Türe aufgeschlossen hatte. Die Diele war aufgeräumt, aber leer, abgesehen von den häßlich-bequemen, die Zeit überdauernden Möbeln meines Vorgängers. Ich schloß die Türe sacht und horchte. Dann ging ich auf meinen Gummisohlen lautlos über die Diele und schaute ins Frühstückszimmer, ins Eßzimmer, die Wohnstube. Alle Zimmer waren leer und strömten jene muffige Atmosphäre aus, die verriet, daß die Fenster lange geschlossen geblieben waren und niemand sich um das Haus gekümmert hatte. Ich wollte gerade meine Besichtigung auf den ersten Stock ausdehnen, als eine Stimme mich zusammenfahren ließ. »Sind Sie’s, Herr Doktor?«
    »Ja, ich bin’s«, rief ich zurück. »Wer sind Sie? Und wo?«
    »In der Küche. Mach’ eben eine Tasse Tee.«
    Durch die große Küche, viereckig und unbequem, wehte frische, zu den Fenstern hereinflutende Luft. Am Herd, die Teebüchse in der Hand und den Hut auf dem Kopf, stand eine vierschrötige Frau mittleren Alters in geblümtem Hausrock. Sie neigte nur den Kopf zu meiner Begrüßung und tat drei Löffel Tee in die Kanne. Mit der lässigen Sicherheit jahrelanger Übung ergriff sie mit langem Arm den Wassertopf und füllte die Teekanne unter mehrmaligem geheimnisvollen Schwenken und Wiederinnehalten.
    »Dachte mir, Sie würden gern ’ne Tasse Tee trinken«, brummte sie und wartete, eine Hand auf der Hüfte, in der anderen die Kanne. »Das Wasser war grade am Kochen. Nur noch ’ne Minute, bis er gezogen hat.«
    »Wenn ich mir die Frage erlauben darf«, sagte ich, unfähig, den Blick von dem braunen, puddingförmigen Hut über ihrer Hakennase zu wenden, »wer sind Sie, bitte?«
    »Mrs. Little. Wieviel Stück Zucker?«
    »Drei, bitte.«
    »Nicht gut für Sie«, sagte sie und goß den bernsteinfarbenen Tee in die Tasse. - »Zucker säuert das Blut. Dadurch hab’ ich auch meinen armen Vater verloren - zuviel Zucker.«
    Mit dieser Bemerkung stellte sie die Tassen auf den Tisch. Dann fummelte sie in einer geräumigen, abgenutzten Einkaufstasche, die auf dem Tropfbrett stand, und zog ein Päckchen Biskuits heraus.
    »Leichtverdauliche«, bemerkte sie. »Sind montags immer frisch.«
    Da mir nichts zu helfen übrigblieb, und weil der heiße Tee nach meiner langen Fahrt mich lockte, setzte ich mich und begann in der Tasse, zu rühren. In winzigen Spiralen entstieg der Dampf.
    »Trinken ja ’ne Menge Tee in den Spitälern«, sagte Mrs. Little. »Hab früher auf Isolierstation gearbeitet. Zu anstrengend für die e!« Sie nippte mit dem zweifelnden, prüfenden Ausdruck des Kenners an ihrem Tee, ließ sich dann, offenbar befriedigt, auf dem Stuhl zurückfallen und knabberte ein Biskuit.
    »Wie ich schon sagte«, begann sie wieder, obwohl sie in Wirklichkeit nichts davon gesagt hatte, »hab’ ich manchmal beim alten Doktor ausgeholfen. Gott hab’ ihn selig! Und wie ich dann in der Zeitung sah, daß Sie ’ne Haushälterin suchten, sagte ich zu meiner Schwester - Margery heißt sie, hat übrigens drei prächtige Kinder ich sagte, jetzt, wo mein armer Mann nicht mehr lebt, könnt’ ich ja die Stelle annehmen, wo ich doch das Haus und das Telefon und die meisten Leute kenne. Müßten ja eigentlich verheiratet sein in Ihrem Beruf, Herr Doktor. Patientinnen sind immer ’ne komische Sorte. Nicht, daß es mir was ausmachen würde.« Sie schnaubte verächtlich im Gedanken an ihre Geschlechtsgenossinnen und machte eine Kinnbewegung nach dem Küchenbüfett hin. Ihrem Blicke folgend, sah ich etwa zwei Dutzend Briefe in säuberlichen kleinen Häufchen.
    »Für mich?« fragte ich.
    »Antworten auf das Inserat«,
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