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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt
Autoren: Robert Tibber
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bestätigte sie. »Feine Sache! >Arzt sucht Haushälterin bei Kost und Logis.< Wenn man sie durchliest, weiß man sofort, worauf sie alle abzielen. >Ich bin jung, hübsch und bewandert im Haushalt<«, zitierte sie in gekünsteltem Tonfall. »Na, ich hab’ gleich zurückgeschrieben und ihnen gesagt, wozu sie das alles besser brauchen könnten.« Sie sah auf meine hochgezogenen Augenbrauen, stand geschwind auf und ging mit ihrer Tasse zur Teekanne hinüber. »Wußte ja, daß Sie mit so was nichts zu tun haben wollten«, fügte sie hinzu. »Nicht für so ’ne Stellung!«
    Allem Anschein nach war die stämmige Mrs. Little also vorderhand nicht loszuwerden. Und als ich ihr zusah, wie sie die Küche mit ihren langen, zuverlässig schweren Schritten durchmaß, dachte ich, vielleicht wäre das nicht das Schlimmste, was mir passieren konnte. Wenigstens würde sie mir dies und jenes über die Praxis sagen können, und später konnte ich ihr dann immer noch kündigen, wenn sich die Sache schlecht anließ. Plötzlich fiel mir ein Rat ein, den meine Mutter mir gegeben hatte, ehe ich herfuhr.
    »... Mrs. Little«, sagte ich und sah ihr zu, wie sie die Teeblätter in den Abguß schüttete, »was ich Sie noch fragen wollte...«
    »Empfehlungen?« fiel sie mir ins Wort, wobei sie ihre lange Nase buchstäblich in der Teekanne begrub, um zu sehen, ob sie sauber sei. »Fragen Sie ruhig, Herr Doktor, wen Sie wollen. Über mich brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
    Ich gab es auf, freilich nicht ohne Zweifel, ob meine Mutter hiermit einverstanden sein würde. Doch hatte sie es vielleicht nie im Leben mit einer Frau zu tun gehabt, die zweimal so alt war wie sie, einen Meter achtzig lang war und einen so schreckeinflößenden Hut auf dem Kopfe trug.
    »Ich will mein Gepäck aus dem Wagen holen«, sagte ich.
    »Dreieinhalb Pfund die Woche, die halben Versicherungsmarken und gut bürgerliche Küche«, tönte es vom Schüttstein herüber. »Und keine Putzfrauen, die mag ich nicht. Mach’ lieber alles selber.«
    »Gut, das ist mir recht.« Ich entsann mich noch, daß meine Mutter gesagt hatte, in der Küche dürften keine Herrenbesuche geduldet werden, und an freien Halbtagen müsse man um elf zurück sein. Allein, nach einem weiteren Blick auf den braunen Filzhut gewann ich die Überzeugung, daß ich nicht weiter auf diesen Punkt einzugehen brauchte.
    Das harte Aufschrillen des Telefons ließ mich hochfahren, und ich blickte mich nach dem Apparat um. Mrs. Little warf das Geschirrtuch über die Schulter und schritt ohne besondere Eile an mir vorbei auf die Diele. Das Läuten hörte auf.
    »Nein, tut mir leid, aber der Doktor ist noch nicht da«, hörte ich sie mit sanft beruhigender Stimme sagen. »Morgen früh hat er Sprechstunde, wenn’s ihr bis dahin nicht besser geht, dann rufen Sie noch mal an. Ja, ja, ein Aspirin kann nicht schaden. Nein, Sie brauchen sich gar nicht zu ängstigen, und der Doktor ist morgen früh ja hier. Wiedersehn.«
    In die Küche zurückgekehrt, griff sie nach der halbtrockenen Tasse, die sie aus der Hand gelegt hatte.
    »Heute wollen Sie wohl noch niemand sehen«, sagte sie. »Erst müssen Sie auspacken und das Sprechzimmer zurechtmachen.«
    »Jawohl«, nickte ich. »Das Sprechzimmer zurechtmachen.«
    Damit überließ ich sie ihrem häuslichen Walten in der Küche und ging hinaus, um mein Gepäck zu holen.
     

ZWEITES KAPITEL
     
    Ich merkte sehr bald, warum Mrs. Little daran gelegen war, daß ich das Sprechzimmer »zurechtmache«. Sprech- und Wartezimmer befanden sich in einem Anbau des Hauses und hatten einen eigenen Eingang um die Straßenecke herum. Vom Inneren des Hauses führte eine Tür aus der Diele ins Wartezimmer. Dieses war nicht so übel. Die Bänke und der lange Tisch waren aus Eiche, dunkel und unansehnlich. Die Vorhänge waren früher wohl blau gewesen, in ihrem jetzigen verschlissenen und verblichenen Zustand aber präsentierten sich ihre Streifen in einem eigentümlich grauvioletten Farbton. Ein paar zerlesene Zeitschriften waren im Staub des Tisches eingelagert, und ein oder zwei stockfleckige Farbdrucke zierten die Wand. Im Kamin ließ ein Farnkraut traurig seine Wedel hängen. An sich fehlte dem Raum nichts. Es war mir auch unmöglich gewesen, ihn frisch tapezieren und etwas freundlicher herrichten zu lassen, weil die Verwaltung der Krankenkasse darauf bestanden hatte, daß ich die Praxis sofort weiterführe. Wie meine Mutter sagte, müßte ich das Zimmer »so um mich herum« neu
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