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Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot
Autoren: Paul Lascaux
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fragte Müller, obwohl er es bereits ahnte.
    »Bei der Versicherung, für die Sie arbeiten«, sagte Delia Zimmermann kleinlaut. »Peter Hofer hat Sie empfohlen.«
    Schlagartig wurden die Zusammenhänge klar. Heinrich Müller war nicht die letzte Hoffnung, sondern die einzige, weil Delia Zimmermann glaubte, ein günstiges Urteil von seiner Seite würde die Versicherung zu einer Zahlung veranlassen. Bereits ein Fünftel der verlangten Summe hätte bestimmt genügt, die Frau auf finanziell sichere Beine zu stellen.
    »Die Polizei haben Sie natürlich informiert«, stellte Müller emotionslos fest.
    »Ja, sicher. Es kam ein Beamter in Zivil vorbei, hat ein bisschen silbriges Pulver verstreut, gesagt, der Einbrecher habe Handschuhe getragen, und wegen eines alten eingerollten Teppichs mache man in Bern kein Theater.«
    Heinrich Müller wollte nun doch noch einen Kaffee, bat aber um einen Schnaps dazu.
    Delia Zimmermann griff nach einer Flasche, die auf der Anrichte stand.
    »Ich glaube, es ist Enzian«, sagte sie, während sie ein Trinkglas halb füllte.
    Der Detektiv stürzte die Hälfte davon in einem Zug hinunter. Es schmeckte rasend bitter und breitete sich schnell mit wohliger Wärme in seinem Körper aus.
    »Was halten Sie nun von meinem Geschäftsvorschlag?«, fragte Delia Zimmermann.
    »Wenn Sie mir bitte die Fotos zeigen würden und den Ort, an dem Sie den Teppich aufbewahrt haben.«
    »Sie werden nur die Fingerabdrücke des Polizisten bemerken, Einbruchsspuren sind keine vorhanden. Sie sehen ja selbst, wie alt alles ist. Wer sich mit Schlössern auskennt …«
    »Wann ist der Teppich weggekommen?« Müller vermied das Wort gestohlen.
    »Vor etwa drei Wochen.«
    Heinrich musterte sie erstaunt.
    »Ich dachte mir, dass Sie mir nicht glauben werden. Ich hab’s wirklich erst letzte Woche bemerkt, als ich die Antwort des Internethändlers erhalten habe. Plötzlich ist mir bewusst geworden, was ich für einen Schatz gehütet habe. Ich hätte ihn ja gerne im Donjon aufgehängt, doch der Turm ist unbewohnbar. Man kann die überhohen Räume aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts nicht beheizen, es gibt kein Wasser, sodass ich ihn seit einer substanzerhaltenden Renovation nur gelegentlich für Ausstellungen oder im Sommer für Konzerte nutze.«
    Delia Zimmermann hatte inzwischen den Computer eingeschaltet und suchte eine Datei. Sie hockte auf dem vorderen Rand des Stuhls, während sich Heinrich beinahe auf ihre Schultern stützte, um das Bild so genau wie möglich zu betrachten. Sie sah nicht gerade aus wie Miss Schweiz, aber wer hätte schon Lust, Miss Irgendwas zu verführen. Delia war um die 40, eher rundlich mit weiblichen Attributen, die leicht zur Übertreibung neigten. Ihre Haare glänzten blond wie ein helles Bier, sie wogten im Wind wie ein Weizenfeld, ab und zu strich sie es sich hinter die Ohren, damit sie das Foto, das sich auf dem Bildschirm aufbaute, auch ohne ihre Lesebrille sehen konnte.
    Es handelte sich zweifelsfrei um einen Blumenteppich. Er wirkte alt, etwas zerschlissen und vielleicht staubig, aber im Prinzip in gutem Zustand. Das Foto war offensichtlich in dieser Wohnung aufgenommen worden, denn der Teppich lag auf dem Bretterboden, auf dem Müller nun stand. Kein Mensch konnte daraus ableiten, dass es sich dabei um das fehlende untere Drittel des Tausendblumenteppichs handelte. Der Gegenstand konnte wertvoll sein. Genauso gut bestand die Möglichkeit, dass es sich um Müll handelte. Auf dieser Grundlage musste er sich entscheiden, ob er den Auftrag annehmen wollte oder nicht, da Delia Zimmermann ihre Frage wiederholte.
    »Ich habe normalerweise einen Tageshonorarsatz. Den könnten Sie im Erfolgsfall abziehen. Doch ich bräuchte einen Vorschuss.«
    »Das liegt außerhalb meiner Möglichkeiten. Jedoch hatte ich so etwas erwartet und habe vorgesorgt. Peter Hofer von Ihrer Versicherung hat eine Kostengutsprache erlassen. Sie können sie abrufen, wenn Sie am Fall interessiert sind.«
    Müller hatte die Frau unterschätzt. Dieser Fehler sollte ihm nicht noch einmal passieren.
    Man könnte an dieser Stelle auch sagen: Es würde ihm noch einmal geschehen mit Konsequenzen, die er sich selbst in seinen schlimmsten Albträumen nicht hätte ausdenken können, und schlimme Albträume kannte er zur Genüge. Aber man ist von solchen vorausdeutenden Sätzen schon oft enttäuscht worden.
    Deshalb bat er sie fortzufahren und zu berichten, wie sie zu diesem Teppich gekommen sei.
    »Sie sind also interessiert.« Delia
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