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Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot
Autoren: Paul Lascaux
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musste oder ob es sich lohnte, ihn auszunehmen und nackt zurückzulassen. Dieses Schicksal blieb den Burgundern vorbehalten. Denn an der Schlacht von Marignano, die die Eidgenossen 1515 jämmerlich verloren hatten, hätte sich Müller nicht beteiligt.
    Dafür hätte sich auch kein Regisseur gefunden. Wer wollte schon eine Niederlage verfilmen, die letztlich in der Deklaration immerwährender Neutralität geendet hatte? Hier und heute stellte man die Schlacht von Murten nach, bei der die Eidgenossen 1476 dem damaligen Erzfeind, dem burgundischen Herzog Karl dem Kühnen, eine vernichtende Niederlage zugefügt hatten. Um die Identifikation mit dem geschichtlichen Ereignis zu fördern, fand der Drehtag am selben Datum wie die historische Schlacht statt. Wie damals hatte es in der vorherigen Nacht heftig geregnet, Neumond und tief hängende Wolken verdunkelten das Zeltlager. Am Morgen wurden die beinahe tausend Statisten von einer alles durchdringenden Bise geweckt, und nicht nur Heinrich Müller suchte nun nach einem im Schlamm stecken gebliebenen Schnürlederschuh.
    Regisseur Thierry Coudray, bisher bekannt durch Dokumentarfilme wie ›Kühe und Bauerntöchter‹, hatte die Nebenrollen breit ausgeschrieben. Er brauchte beliebig viele Leute, die sich für eine Mahlzeit ins Schlachtgetümmel stürzten, Verletzungen und Knochenbrüche riskierten, und das alles honorarfrei, da sich die Inszenierung eines altschweizerischen Schlachtenbildes nicht anders finanzieren ließ. So hing auch im Bauch & Kopf, der Bar-Buchhandlung-Galerie und gleichzeitig Hauptquartier der Detektei Müller & Himmel, ein Plakat, mit dem Laienschauspieler für ein Casting gesucht wurden. Kaum einer konnte dem Angebot widerstehen.
    Deshalb stakste Heinrich Müller nun durch aufgeworfene feuchte Erde. Deshalb hatten sich Nicole Himmel, Leonie Kaltenrieder, Louise Wyss und ein paar Models des Bauernkalenders als leicht bekleidete Marketenderinnen verdingt, die unten am See schmutzige Wäsche über einem Brett auswrangen, bevor sie sich nach geschlagener Schlacht um die in jeder Hinsicht ausgehungerten Waffenbrüder kümmerten.
    Cäsar Schauinsland hatte die Inszenierung übernommen. Er war prädestiniert für diese Aufgabe, kannte man ihn doch als Objektverbrennungskünstler, der nichts ausließ, was ein Spektakel versprach. Er durfte diesmal nichts abfackeln, war jedoch für eine sinnvolle Farbgestaltung zuständig, die zum Jahreszeitengrün passte und auf der Leinwand nicht als unübersichtliche Kleckserei endete. Es sollte am Ende alles dem Ereignis nahe kommen, wie es sich vor 533 Jahren abgespielt hatte.
    Schließlich unterstützte der Störfahnder Bernhard Spring mit seiner Kollegin Pascale Meyer und ihrem Team von der Police Bern die Freiburger Behörden bei den Sicherheitsmaßnahmen. Demnach waren für einen Tag Bauch & Kopf und das Detektivbüro verwaist, aller Ausschank und alle Nachforschungen blieben ausgesetzt.
     
    Alle Nachforschungen? Darin sollte sich Heinrich Müller getäuscht haben. Denn nun wurde auf Thierry Coudrays Geheiß das Geschehen neutralisiert. Fleißige Hände richteten die Requisiten wieder her. Die Palisaden rund um das Lager des Herzogs auf dem der Stadt Murten gegenüberliegenden Hügel Bois Domingue – oder in der verballhornten schweizerdeutschen Form Bodemünzi – mussten neu aufgerichtet, die umgestürzten Feldschlangen wieder in Stellung gebracht und das kleine Feuer, das bereits auf das Lager der Langspeere übergegriffen hatte, gelöscht werden.
    Dann rief einer, der mitten auf dem Feld die liegen gebliebenen Effekten einsammelte, aufgeregt den Sicherheitsdienst zu sich. Der informierte über Handy Bernhard Spring, der wiederum nach kurzem Augenschein Pascale Meyer ins Hauptlager schickte, wo inzwischen auch der Regisseur und die Kameraleute eingetroffen waren.
    »Ihr könnt zusammenpacken«, erklärte die Polizistin, ohne sich um Diskretion zu bemühen, weil sich sowieso alles schnell herumreden würde.
    »Das Gelände gilt ab sofort als Tatort. Neu bespielbar frühestens morgen.«
    »Was ist hier los?«, wollte Thierry Coudray wissen, dessen Nerven bereits blank lagen.
    »Bei einer Feldschlange liegt ein Toter«, sagte Pascale Meyer.
    Einer lachte.
    Ein anderer meinte: »Das gehört zum Krieg.«
    »Ein Toter«, wiederholte Pascale Meyer. »Ein spätmittelalterlich verkleideter Mann mit einer sehr modernen, tödlichen Schusswunde. Und viel Blut. Echtes Blut!«
    Vergeblich riefen die Marketenderinnen zum
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