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Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Titel: Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
Autoren: Caroline Graham
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    Jeden Abend um exakt die gleiche Uhrzeit und bei jedem Wetter ging Charlie Leathers mit dem Hund spazieren. Wenn Mrs. Leathers das Tor von ihrem schlichten Reihenhaus zuklicken hörte, linste sie durch einen Spalt in den Netzgardinen, um sich zu vergewissern, dass er auch wirklich losging, und schaltete dann den Fernseher wieder ein.
      Mr. Leathers blieb gewöhnlich etwa eine halbe Stunde fort, doch Mrs. Leathers stellte den Timer in der Küche auf zwanzig Minuten, um kein Risiko einzugehen. Einmal war er nämlich früher zurückgekommen, hatte misstrauisch auf den gerade ausgeschalteten Bildschirm gestarrt und den Handrücken an die Scheibe gehalten. Sie war noch warm gewesen. Hetty hatte sich eine endlose Predigt darüber anhören müssen, dass doch jeder vernünftige Mensch wisse, dass nach zehn Uhr abends nichts Lohnenswertes mehr im Fernsehen gezeigt werde und dass die Röhren bei Dunkelheit bekanntlich schneller verschleißen würden. Einmal hatte sie die Kühnheit besessen, ihn zu fragen, wer von ihnen denn die Fernsehgebühren bezahlte. Daraufhin hatte er drei Tage nicht mit ihr gesprochen.
      Jedenfalls blieb er in dieser Nacht - oder in der fraglichen Nacht, wie die Polizei sie nannte, sobald man ihre Bedeutung erkannt hatte - länger fort als gewöhnlich. Hetty hätte die ganze Folge von Absolutely Fabulous sehen können. Es war zwar eine Wiederholung, aber immer noch ihre Lieblingsserie, weil sie so weit von ihrem trübseligen Alltag entfernt war, wie man sich das nur vorstellen konnte.
      Helles Mondlicht überflutete den Dorfanger und beleuchtete das Schild mit dem laienhaft gemalten Wappen, das Ferne Basset als das gepflegteste Dorf des Jahres auswies. Das Wappen, das einen auf den Hinterbeinen stehenden Dachs, einige Weizengarben, zwei überkreuzte Kricketschläger und eine unnatürlich giftgrüne Chrysantheme zeigte, war frei erfunden und rein folkloristisch.
      Charlie Leathers ging mit großen Schritten über den kurz geschorenen Rasen zum Bürgersteig auf der anderen Seite. Mit wütendem Blick starrte er auf die dunkle Masse von halb fertigen Häusern und auf das Baumaterial, das gleich neben dem Pub herumlag. Im Weitergehen trat er rasch gegen einen Stapel Ziegel. Er kam an mehreren viktorianischen Cottages vorbei und an einem bemerkenswert modernen Haus, das fast ausschließlich aus Glas bestand und über das sich das Mondlicht wie silberner Regen ergoss. Noch ein paar Meter weiter, dann betrat er den Friedhof, hinter dem Carter's Wood anfing. Er ging schnell und mit jener zornigen Energie, die all seine Bewegungen bestimmte. Charlie war niemals entspannt. Selbst beim Schlafen zuckte er und schlug manchmal mit geballten Fäusten in die Luft.
      Die Jack-Russell-Hündin versuchte, so gut es ging, mit ihm Schritt zu halten und warf dabei immer mal wieder einen besorgten Blick nach oben. Müdigkeit oder harte Steine auf dem Weg waren keine Entschuldigung zu trödeln. Ein heftiger Ruck am Halsband oder ein noch schmerzhafterer Schlag mit der Leine auf ihre zarte Nase ließ sie gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen. Nur eine winzige Pause war ihr gestattet, um das zu verrichten, weshalb sie eigentlich ausgeführt wurde. Auf drei Beinen hoppelnd brachte sie ihr Bächlein zustande. Und die vielen Aromen, die mit ihren wunderbaren Düften die Nachtluft erfüllten, blieben für immer unerforscht.
      Nachdem sie ein längeres Stück durch Unterholz und dichtes Brombeergestrüpp gezerrt worden war, war Candy erleichtert, wieder weiches vermodertes Laub unter den Pfoten zu spüren. Doch schon stolperte sie, weil sie mit einem Ruck an der Leine herumgerissen wurde und sie den Heimweg antraten.
      Das bedeutete, dass sie sich der Tall Trees Lane, wo Charlie wohnte, nun aus der entgegengesetzten Richtung näherten. Hier kamen sie an einigen Doppelhäusern vorbei, mehreren Sozialbauten, dem Dorfladen und der Kirche St. Timothy in Torment. Und dann, bevor es wieder reichlich nach Geld roch, kam der Fluss.
      Der Misbourne war ein schnell fließendes Gewässer und sehr tief. Von einem flachen Wehr etwa hundert Meter stromabwärts kam ein Rauschen, das sich mit dem Rascheln der Blätter in der stillen Nachtluft vermischte. Über den Fluss führte eine steinerne Brücke mit einer Brüstung, die nur knapp einen Meter hoch war.
      Charlie hatte die Brücke gerade überquert, als er lautes Geschrei hörte. Er blieb reglos stehen und lauschte. Nachts sind Geräusche schwer zu orten, und
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