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Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot
Autoren: Paul Lascaux
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Zimmermann lächelte.
    Heinrich Müller bejahte, weil er nichts Besseres zu tun hatte.
    »So weit ich meine Familiengeschichte zurückverfolgen kann«, hob sie an, »waren meine Vorfahren immer ein Geschlecht von Hasardeuren, oft leichtsinnig, immer leichtlebig. Das hat bis heute vorgehalten.« Sie zögerte einen Augenblick. »Alles begann mit Itha Stucki aus der Gegend von Tafers im Freiburgischen, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts der Hexerei bezichtigt und 1442 schließlich in Fribourg gemeinsam mit ihrem Sohn Peter hingerichtet worden ist. Sie haben zu den Waldensern gehört, einer Gemeinschaft religiöser Laien, die während des Mittelalters als Ketzer von der Inquisition verfolgt worden sind. Sie sollen eine Katze als Tier Satans auf den Hintern geküsst haben. Einen solchen Unfug hat sich die Kirche ausgedacht.«
    Müller stellte sich trotz aller Tierliebe mit Schaudern vor, dass er dies bei Baron Biber tun müsste.
    »Einer von Peter Stuckis Nachkommen, deren Vornamen über Jahrhunderte nicht mehr tradiert worden sind, jedenfalls einer aus der Sippe der Stucki, kämpfte mit den Freiburger Truppen an der Seite der Berner gegen die Burgunder. Ob er nur bei der Schlacht von Grandson oder auch in Murten und Nancy dabei war, ist nicht überliefert. Auf jeden Fall muss er bei dieser Gelegenheit einen Teil der Beute an sich genommen haben, zumindest das Drittel des Tausendblumenteppichs. Wahrscheinlich hat er seinen Anteil versteckt, der wiederum über Jahrhunderte vom einen zum andern weitergereicht worden ist, ohne dass je einer gewusst hätte, welchen Schatz er gehütet hat.«
    Es war ein magischer Moment in dieser düsteren Stube, Müller liebte solche Geschichten und wollte sie nicht durch kritische Fragen zerstören. Dafür hätte er später noch genügend Zeit. »Und wie sind Sie nun in den Besitz dieses Teppichs gekommen?«
    »Dieser Zweig der Stucki ist irgendwann ausgestorben. Eine Maxine Bolley, Tante mütterlicherseits, ist im Dezember in Murten von uns gegangen und hat keine Nachkommen hinterlassen. Meine Mutter wäre die Erbin gewesen, aber da sie vor acht Jahren verstorben ist, komme ich in der Reihe als Nächste. Deshalb bin ich nach Murten gefahren, habe die Papiere unterschrieben und das kleine Logis ausgemistet. Es war kaum Brauchbares unter den wenigen Besitztümern. Nur eine Schwarzwalduhr und eben diesen Teppich habe ich mitgenommen.«
     
    Heinrich Müller fand sich im Bus wieder, wo er die Broschüre studierte, die ihm Delia Zimmermann zugesteckt hatte, und ließ die Begegnung Revue passieren.
    »Der Berner Teppich sowie das ehemalige Pendant in Fribourg lassen sich mit einem Auftrag in Verbindung bringen, mit welchem Philipp der Gute im Jahre 1466 acht Stücke eines Wandbehanges bei Jean Le Haze in Brüssel bestellte.«
    Er übersprang ein paar Sätze.
    ›Innerhalb seiner Gattung dürfte das Berner Stück auch zeitlich das älteste erhaltene sein. Der Berner Blumenteppich ist insofern einzigartig, als alle anderen erhaltenen Blumenteppiche aus dem 15. Jahrhundert mit Darstellungen von Tieren oder Menschen kombiniert sind. Diese werden somit von der eigentlichen flächenhaft-dekorativen Tapete zum räumlichen ›Garten‹, in welchem Tiere spielen und Menschen sich ergehen.
    Das Eigentümliche dieser Behänge besteht darin, dass der ganze Grund mit eng aneinandergerückten naturalistischen Blumenstauden übersponnen ist. Die einzelnen Blatt-und Blütenformen sind mit der grössten Sorgfalt und Feinheit individualisiert … Nun sind wohl die einzelnen Pflanzen naturalistisch behandelt, völlig unnaturalistisch aber ist die Art ihrer Verwendung. Denn es wird uns kein Ausschnitt aus einer Wiese, keine Blütenhecke, kein Blumengarten vorgetäuscht. Die Blumen sind hier ganz tapetenmässig wie auf einem Stoffmuster in den dunkelfarbigen Grund gesetzt und bedecken gleichmässig das ganze Bildfeld. Diese fine verdure – ursprünglich mit sieben weiteren, verlorenen Teppichen zu einer Serie gehörend – zeigt auf dem dunkelblauen Grund unzählige, nach einer bestimmten Ordnung ausgestreute Blumenstauden.‹ [4]
     
    »Na, hast du einen vielversprechenden Auftrag an Land gezogen?«, frotzelte Nicole, als sich Heinrich im Bauch & Kopf einen Absinthe La Clandestine gönnte. L’heure bleue.
    »Jedenfalls einen interessanten«, entgegnete er. »Ob er sich auszahlt, werden wir sehen. Außerdem habe ich eine Schlossbewohnerin kennen gelernt.«
    »So kurz vor Valentinstag?« Nicole pfiff durch die
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