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Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot
Autoren: Paul Lascaux
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Zähne und schob ihm die Zeitung hin. »Vielleicht brauchst du ja noch ein Geschenk?«
    Angeboten wurde eine herzförmige Schablone für die Intimrasur, erhältlich in größeren Warenhäusern.
    »Auf dem Rodungspfad bin ich noch nicht«, erklärte Heinrich mit Betonung auf dem noch.
    »Lass das bloß nicht Leonie hören«, sagte Nicole.
    »Was soll ich nicht hören?«, fragte diese, die eben durch die Tür getreten war.
    »Ach, nichts«, entgegnete Heinrich und gähnte herzhaft.
    »Das ist es«, jubelte Leonie, »unsere neuste Geschäftsidee. Man müsste etwas zum Thema Gähnen erfinden, denn gegähnt wird immer!«

Mittwoch, 15. April 2009
    Zwei weitere Male hatte Heinrich Müller Delia Zimmermann getroffen, jedoch waren keine wichtigen neuen Erkenntnisse zu gewinnen. Zwar stellte sich heraus, dass ihr das Schloss wirklich gehörte, es bedurfte allerdings einer grundlegenden Renovation. Dafür fehlte das Geld, und so lange der Heimatschutz nichts beitrug, blieb sie im ebenfalls baufälligen Nebenhaus wohnen.
    Keiner hatte sich bisher bei ihr wegen des Bilderteppichs gemeldet, und ohne irgendeinen Anhaltspunkt blieb die Suche nach dem Dieb schwierig. Das hatte sogar Frau Zimmermann eingesehen. Eigentlich konnte man das Kunstwerk auf dem Markt nicht anbieten, jedenfalls wenn es echt war. Jeder Händler würde sofort wissen, dass daran etwas faul war. Daher blieb nur das Einfordern von Lösegeld. Da bei der Schlosslady nichts zu holen war, biss sich die Katze in den Schwanz.
    Immerhin war der Detektiv körperlich wieder vollkommen hergestellt und auch eine gewisse Unpässlichkeit von Nicole Himmel schien sich zu legen, sodass mit dem anbrechenden Frühling sozusagen auch die Lebensgeister der Detektei Müller & Himmel zurückkehrten. Momentan saß Heinrich bei einem Kräuter-Ziegenkäse vor einem flachen, tellergroßen Laib Pane Nostrano della Valle, den er im COOP gekauft hatte, und der im Geruch bereits den Getreidesommer ankündigte. Er spülte das Brot mit einem korsischen Pietra-Bier runter, das mit Kastanien angereichert war und mit seiner fetten Süße einen willkommenen Kontrast zu den Kräutern lieferte. Heinrich trug eine schwarze Schürze, auf deren oberer Hälfte in feiner Schrift und bunten Buchstaben ›Küche‹ gestickt war, als ob man sie fälschlicherweise auch im Büro oder Schlafzimmer tragen würde.
    Im Hintergrund quälte Erika Stucky einen ihrer ›Suicidal Yodels‹ aus dem Hals. Man musste sich daran gewöhnen, die Walliser Alpen mit dem amerikanischen Country zu vermählen. Möglicherweise war das die Hexenbeschwörung heutiger Tage. Meilenwert entfernt von Volksliedern wie ›Es Buurebüebli mani nid, das gseht me mir wohl a, juhee‹. Delia Zimmermann hatte allerdings zwischen ihrer Familie und der Sängerin keine verwandtschaftlichen Bindungen ausmachen können.
    Müller hatte sich kundig gemacht und zu seiner Überraschung festgestellt, dass nicht nur Anna Göldi als eine der letzten Frauen in Europa 1782 in Glarus der Hexerei bezichtigt und als Giftmörderin enthauptet worden war, sondern dass viele der frühesten Hexenprozesse im 15. Jahrhundert ausgerechnet in seiner Heimat stattgefunden hatten, im Dreieck der Städte Luzern, Lausanne und Neuchâtel mit Bern und Fribourg mittendrin. Dabei war offensichtlich nicht immer klar zu unterscheiden, ob es sich um einen Ketzer-, Zauberei-oder Hexenprozess handelte, außerdem waren wesentlich mehr Männer als Frauen angeklagt worden.
    Grundlage dafür waren die Prozesse gegen die Katharer, die als Sekte sozusagen den Namen ›Ketzer‹ spendeten, und die Waldenser mit ihrem fundamentalistisch-religiösen Glauben, der die offenbar noch nicht sehr stabile Herrschaft der offiziellen Kirche infrage stellte. So sehr, dass die Berner Obrigkeit nach dem heißen und trockenen Sommer 1478 einen Tierprozess gegen die Engerlinge anstrengte und ihnen mit Kirchenbann drohte, um der Plage Herr zu werden. Schließlich verhängte der Bischof von Lausanne, Benedikt von Montferrand, ein Jahr später einen Bann gegen die Maikäfer.
    ›Dieselb was alt, unschaffen und wuest becleidet mit eim heidischen gebend um das hopt, mit langen grossen zenen und gespaltnen fuessen. Darab die lüt ser erschrackend, ettlich sturbend, ettlich wurden ouch vast krank, und fieng man an zuo Switz vast der pestilenz ze staerben.‹ Nun gab es von Itha Stucki keine Beschreibung, aber so oder so ähnlich musste man sich eine Hexe vorstellen, denn – wie in den Fribourger
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