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Heinermaedsche

Heinermaedsche

Titel: Heinermaedsche
Autoren: Ann-Sophie Aigner
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Ursprung des Haares zu erhalten, musste sie gewissenhaft und zielstrebig vorgehen. Sie beschloss kurzerhand, ihrem Ehemann sein Lieblingsessen zu kochen. In einem angenehmen Ambiente ließen sich heikle Themen besser besprechen. Das funktionierte immer. Für den Fall, dass es ihr nicht gelänge, Hermann die gewünschten Informationen unauffällig zu entlocken, brauchte sie einen alternativen Plan. Nach reiflicher Überlegung kam Eva zu dem Schluss, ein leichtes Schlafmittel wäre die ideale Lösung. Falls das Gespräch nicht nach ihren Vorstellungen verlaufen sollte, würde sie nach dem Essen einfach Hermanns Sachen, speziell sein Handy, durchsuchen. Wenn er dann tief und fest schlief, geriet sie nicht in Gefahr, dabei von ihm überrascht zu werden.
    Endlich gewann sie die Kontrolle über ihren Körper zurück und verließ das Ankleidezimmer. In der Vorratskammer fand sie die Zutaten für ein köstliches Abendessen. Sie bereitete Königsberger Klopse mit Butterkartoffeln und als Dessert Birne Helene zu. In die Schokoladensoße mischte sie ein ordentlich dosiertes Schlafmittel. Vor einiger Zeit hatte Mark einen Unfall mit seinem Mountainbike gehabt und vor Schmerzen kaum schlafen können, weshalb der Arzt ihm das Schlafmittel verschrieben hatte. Auf der Packung stand zwar, zehn Tropfen reichten für einen erwachsenen Menschen aus, sie gab dennoch lieber gleich 50 hinein. Sicher war sicher. Schließlich wurde die Zusammensetzung durch die Soße stark verdünnt. Ihr fiel ein, dass Hermann immer zwei Bier zum Essen trank und die Wirkung des Medikaments durch den Alkohol möglicherweise verstärkt würde. Ganz auszuschließen war das nicht, aber wen sollte sie danach fragen, ohne Verdacht zu erregen? Es blieb ihr nichts anderes übrig, als etwaige Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen.
    Gerade als sie fertig war, kam Hermann nach Hause. Bestens gelaunt und von dem köstlichen Duft gelenkt nahm er direkt am stilvoll gedeckten Tisch Platz. Den reichlich gefüllten Teller mit all den Köstlichkeiten betrachtete er wohlwollend, ehe er jeden einzelnen Bissen genoss. Eva selbst aß kaum etwas. Ihr Magen war wie zugeschnürt. Sie stand kurz davor, einen Kreislaufkollaps zu erleiden, so groß war ihre innere Unruhe. Gespannt beobachtete sie das Verhalten ihres Mannes. Merkte er, dass etwas nicht stimmte? Es wirkte nicht so – im Gegenteil, das Essen schien ihm ausgesprochen gut zu schmecken.
    »Du bist eine fantastische Köchin«, sagte er begeistert und tupfte sich mit einer Serviette die Mundwinkel ab. Seine Augen glänzten.
    Eva musterte ihren Mann. Seine gelockten, zum Glück noch immer überwiegend dunklen Haare waren akkurat frisiert. Die grau melierten Schläfen standen ihm ausgezeichnet. Der Dreitagebart ließ ihn verwegen wirken. Selbst nach den vielen Jahren fand Eva ihn attraktiv. Die leichten Falten, die seine grünen Augen umrahmten, wenn er lachte, verliehen ihm eine Aura, der sie nicht widerstehen konnte. Seine Stimme, dieser leicht rauchige Ton, wenn er etwas Spannendes erzählte, verzauberte sie. Seine Ausstrahlung, wenn er den Kopf in den Nacken legte, und so den Blick auf seinen Hals lenkte, erregte sie.
    Eva war nach wie vor in ihn verliebt.
    All die Gedanken an das, was sie an ihm liebte, machten sie nachdenklich. Für ein offenes Gespräch fehlte ihr die Kraft. Die ganze Situation kam ihr irreal vor. Vielleicht hatte sie heute Mittag auch nur einen Tagtraum gehabt. Konnte das sein? Ein schlechtes Gewissen überkam sie. Wie viel hatte Hermann schon vom Dessert gegessen? Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, ihn außer Gefecht zu setzen. Sie hoffte, er habe bisher so wenig von der Soße genascht, dass das Schlafmittel seine volle Wirkung nicht entfalten konnte. Hermann sollte schließlich nicht ins Koma fallen, sondern nur ein bisschen schlafen. Die ganze Situation war moralisch verwerflich. Sie erkannte sich selbst kaum wieder.
    Zu ihrem Mann sagte sie, sie habe sich heute besonders viel Mühe gemacht und es freue sie ungemein, dass es ihm schmeckte. Um jeglichen möglichen Verdacht im Keim zu ersticken und sich nicht durch ein untypisches Verhalten zu verraten, hielt sie das Gespräch mit Small Talk am Laufen. Eva lächelte Hermann während des gesamten Essens nervös an und kaute immer wieder auf ihrer Unterlippe herum. Dabei achtete sie darauf, nicht zu viel von ihrem neuen ›Yves Saint Laurent‹-Lippenstift zu verspeisen.
    Als er sich ein weiteres Mal von der Schokoladensoße nehmen wollte,
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