Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heinermaedsche

Heinermaedsche

Titel: Heinermaedsche
Autoren: Ann-Sophie Aigner
Vom Netzwerk:
zugetan gewesen, was Eva als unanständig erachtet hatte. Nach dem Abitur hatten sich ihre Wege für lange Zeit getrennt, bis Helga schließlich in die unmittelbare Nähe der Mathildenhöhe gezogen war. Sie hatten durch ihre gemeinsame Leidenschaft – das Singen – viel Zeit miteinander verbracht. Jahrelang gehörten sie demselben Chor an. Allerdings versuchte Eva, ihre alte Schulfreundin zu meiden, wo es nur ging.
    Manche Menschen waren zwar nett, dennoch wollte Eva sie auf Abstand halten. Es war lediglich ein Gefühl, vielleicht auch die Angst, von Helga zu sehr in Beschlag genommen zu werden. Eva wollte nicht gegen ihre Abneigung ankämpfen. Zu detailliert waren ihre Erinnerungen an die gemeinsame Schulzeit, als Helga die damals naive Eva zum Lügen angestiftet hatte, damit sie sich während des Unterrichts mit einem Jungen aus der Nachbarschaft hatte treffen können. Eva log mit schlechtem Gewissen ihren damaligen Lehrer an. Obwohl sie es nicht wollte, hatte sie sich von Helga dazu überreden lassen. Sogar als Eva einer Lüge überführt wurde, hatte sie nicht den Mut aufbringen können, die Wahrheit über Helgas Abwesenheit zu beichten. Helgas Vater war Geschäftsführer eines aufstrebenden Darmstädter Chemieunternehmens, wo Evas Vater, ein begnadeter Chemiker seit Jahren arbeitete. Evas Vater forschte aus purer Lust am Entdecken neuer Methoden und Wege für die Medizin und um der Menschheit einen Gefallen zu tun. Helgas Vater war da anders, er machte sich die Blauäugigkeit seines Chemikers zunutze und vermarktete dessen Forschungsergebnisse gewinnbringend. Zu groß war Evas Angst vor den Konsequenzen für ihren Vater, sollte sie Helga verraten. Da nahm sie lieber die Strafe des Lehrers in Kauf. Am selben Nachmittag erzählte Helga ihrer Freundin, dass sie den schönsten Vormittag in ihrem noch kurzen Leben verbracht hatte und dass dies nur durch Eva möglich gewesen sei. Als Eva ihr die Hämatome an ihren Beinen zeigte, war Helga sichtlich unbeeindruckt. Sie hätte sich halt nicht erwischen lassen sollen, war ihre lapidare Antwort gewesen. Von da an war Helga für Eva Luft gewesen. Nie wieder hatte Eva für sie gelogen.
    Aus irgendeinem Grund suchte Helga auch heute noch ihre Nähe. Vielleicht weil Eva sie durch die Lügen stets vor Ärger bewahrt hatte. Es war damals keine Seltenheit gewesen, ungehorsame Schülerinnen mit der Rute zu züchtigen; schmerzende Fingerkuppen durch die erbarmungslosen Schläge kannte jede der damaligen Schülerinnen.
    Eines Tages bat Helga also um ein persönliches Gespräch, weil sie das, was sie mit Eva besprechen wollte, unmöglich am Telefon erzählen könne. Ihr Anstand war es, der Eva an jenem Tag vor gut einem Jahr zwang, ihre alte Schulfreundin zu sich in die Villa einzuladen. So kam es, dass die Frauen auf Evas Sofa saßen und Helga eine unglaubliche Offenbarung machte: Die so harmlos wirkende Frau hatte ihren eigenen Mann umgebracht! Helga schilderte Eva diese abscheuliche Tat in allen Einzelheiten.
    Eines Abends hatte Helga ihren schwer herzkranken Mann überredet, sich einen entspannten Nachmittag im eigenen Wellnessbereich zu gönnen. Er willigte zögernd ein, vermutlich wollte er Ruhe vor seiner Frau haben. Helga konnte sehr penetrant sein; das hatte sie öfter im Chor bewiesen. Nachdem ihr Mann es sich in der Sauna gemütlich gemacht hatte, umschlang sie den Griff der Saunatür von außen mit einem Fahrradschloss und verriegelte es. Sie stellte die Sauna auf Höchsttemperatur und verließ den Raum. In aller Seelenruhe zog sie ihren schwarzen Badeanzug an und freute sich über ihre gute Figur.
    Dafür arbeitete sie sehr hart. Anschließend schlenderte sie in den nächsten Raum. Das war ein heller, ausgebauter Kellerraum, in dem sich der Swimmingpool befand. Umrahmt von antiken Reliefs und Statuen schwamm sie einige Runden. Vom Swimmingpool aus hatte sie einen traumhaften Blick auf ihren Garten. Während sie schwamm, hörte sie gerne Aida. Bei Carmina Burana konnte sie sich herrlich entspannen.
    Die Schreie ihres Mannes nahm sie nur gedämpft wahr. Sie beschloss, erst dann mit dem Schwimmen aufzuhören, wenn sie verstummt waren. Es war ihr nicht wohl in ihrer Haut, dennoch wollte sie ihr Vorhaben nicht abbrechen. Nachdem sie einige Runden geschwommen war und sich frisch geduscht ein teures, nach Jasmin duftendes Körperöl einmassiert hatte, wagte sie einen Blick in die Sauna. Durch die gläserne Tür konnte sie Klaus sehen. Er saß auf der obersten Holzbank; seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher