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Heinermaedsche

Heinermaedsche

Titel: Heinermaedsche
Autoren: Ann-Sophie Aigner
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Frauenstimme.
    Sie stellte sich dieses Wesen vor: Eher klein, vielleicht dicklich, mächtiger Busen, genauso mächtiger Bauchansatz, fettige Haare und O-Beine. Sollten sie sich je gegenüberstehen, wollte Eva so etwas sagen wie: ›Eigentlich mag ich keine Segelohren, aber Ihnen stehen sie fantastisch.‹ Ha, sie konnte sogar schlagfertig sein. Auch wenn Eva ihre Gedanken nicht laut äußerte, ging es ihr dennoch gleich besser. Mit neuem Selbstbewusstsein sprach sie langsam und mit fester Stimme: »Guten Tag, mein Name ist Kurz, ich rufe im Auftrag von DHL an. Hier liegt ein Päckchen für Sie von Herrn Hermann Fröhlich. Leider ist die Empfängeradresse schlecht zu lesen, da sie nass geworden ist. Lediglich Ihr Name ist noch zu erkennen, daher konnte ich Ihre Telefonnummer aus dem Telefonbuch entnehmen. Könnten Sie bitte so freundlich sein, mir Ihre Adresse zu nennen, damit Ihnen das Päckchen zugestellt werden kann?« Insgeheim hoffte Eva inständig, dass ihre dreiste Lüge nicht auffallen würde. Es war natürlich völlig unlogisch, die Telefonnummer einer Person ausfindig machen zu können, wenn deren Adresse unleserlich war. Also holte Eva tief Luft und überlegte dabei intensiv, wie sie diese Ungereimtheit erklären sollte. Ob es nun an ihrem Stoßgebet lag oder an Audreys Einfältigkeit war Eva letztlich egal. Die erhoffte Reaktion kam jedenfalls.
    »Das ist ja so süß von Hermann. Ich kann es gar nicht fassen, dass er mir ein Päckchen sendet, wo wir uns doch gestern Mittag erst gesehen haben.«
    Was? Gestern Mittag? Eva traute ihren Ohren kaum.
    Gestern Mittag hatte Hermann doch dieses unglaublich wichtige Meeting mit einem unglaublich wichtigen Geschäftspartner in Frankfurt, bei dem er unter keinen Umständen gestört werden durfte. Nicht mal von Eva. Dieser scheinheilige Mistkerl. Helga! Da war sie wieder. Helga und das Bild ihres toten Mannes in der Sauna schossen ihr durch den Kopf.
    »Vielleicht sind da ja Dessous drin, die ich beim nächsten Treffen anziehen soll. Hermann fällt aber auch immer etwas Neues ein, um mich zu überraschen.«
    Ja, überraschen war das richtige Wort, Eva fing fast an zu japsen. »Wie sehr ich doch überrascht bin«, flüsterte sie.
    »Was nuscheln Sie da? Meine Adresse lautet Weserstr. 88 in Goddelau.«
    Schnell fing sich Eva wieder und notierte die Adresse. »Vielen Dank für Ihre Auskunft. Bitte nennen Sie mir freundlicherweise noch einmal Ihren vollständigen Namen, damit es bei der Zustellung in den nächsten Tagen nicht zu unerwarteten Problemen kommt. Das ist nur in Ihrem eigenen Interesse.«
    »Ach so, ja, ich heiße Audrey Winter. Wissen Sie, meine Mutter liebte Audrey Hepburn über alles, sie ist bis heute ein großer Fan von ihr. Dabei ist die Hepburn längst gestorben und ich laufe immer noch mit diesem Namen rum. Na ja, immerhin gibt es den hier nicht so oft. Brauchen Sie sonst noch irgendwelche Auskünfte von mir, oder kriege ich jetzt mein Paket?«
    »Ich werde die Zustellung sofort beauftragen und wünsche Ihnen viel Vergnügen mit dem Inhalt des Päckchens.« Eva legte auf und ging völlig in Gedanken versunken in den Salon. Dort goss sie sich etwas Bourbon in eines der Kristallgläser ein. Anschließend ließ sie sich in den großen Ledersessel sinken und musste das eben Gehörte erst einmal verdauen. Helga erschien grinsend vor ihrem geistigen Auge. Sie schaute durch das geöffnete Fenster auf die Spitze des Hochzeitsturms, ein Wahrzeichen Darmstadts. Das Dach erinnerte Eva an die Form einer Hand.
    Sie war in den letzten Jahren mehrmals zu Trauungen in dem aufwendig restaurierten Hochzeitszimmer eingeladen gewesen. Es war wunderschön; die Aussicht über Darmstadt einfach nur überwältigend. Bei klarem Wetter hatte sie schon weit über den Frankfurter Flughafen hinaus bis in den Taunus oder den Odenwald gesehen. Die Burg Frankenstein war ebenso gut zu erkennen wie die Veste Otzberg.
    Der Sommer war langsam, aber sicher im Anmarsch. Stühle und Tische bevölkerten den Platz vor dem Café auf der Mathildenhöhe, und Eva beobachtete, wie die jungen Leute hier ihren Kaffee tranken und sich innig in die Augen blickten, als gäbe es nichts um sie herum. Sie sah den Pärchen gerne zu, wie sie eng umschlungen auf der Mathildenhöhe umherwandelten.
    Ließ sie ihren Blick weiter über den Platz mit seinen vielen Platanen und dem großzügigen Brunnen schweifen, konnte sie den Kindern unter dem Platanenhain zusehen, wie sie sorglos umhertollten. Manches Mal drang
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