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Heinermaedsche

Heinermaedsche

Titel: Heinermaedsche
Autoren: Ann-Sophie Aigner
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gemacht. Die Schwangerschaft vor 19 Jahren hatte ebenfalls ihren Tribut gefordert. Doch durch Sport, eiserne Disziplin und eine gesunde Lebensweise hatte sie der Natur ein Schnippchen geschlagen und hatte bald nach der Geburt beinahe ihre alte Figur zurück gehabt.
    Eva wäre es nie in den Sinn gekommen, dass sich ihr Traumprinz einmal in eine untreue Kröte verwandeln und seine ganze Magie verlieren könnte – bis zu jenem Tag, an dem sie das blonde Haar entdeckte.

4
    So in Gedanken an ihren Hermann stieg Eva in ihren Mini, fuhr die Bleichstraße hinunter und bog auf die Rheinstraße Richtung Darmstadt-West ab. Ihr Weg führte sie durch Griesheim – wie lange war sie schon nicht mehr hier gewesen? Es mussten Jahre sein. Weiter auf der B 26 nach Wolfskehlen. Reiter begleiteten zeitweise ihren Weg durch die zartgrünen Felder. Der Mais war noch nicht hoch und der Roggen nur zu erkennen, wenn man sich mit Getreide auskannte. Fahrradfahrer fuhren auf dem Radweg längs der Straße entlang.
    Sie erreichte Goddelau; ein ruhiges Dorf mitten im hessischen Ried. Nicht weit vom Naturschutzgebiet Kühkopf entfernt, wo sie vor Jahren einen Spaziergang mit einer Bekannten zum Rhein unternommen hatte. Wären nicht die ganzen Schnaken gewesen, hätte es ein schöner Ausflug werden können. Wie sich später herausstellte, waren sie zur falschen Tageszeit dort gewesen. Zumindest wurde ihnen das erzählt, als sie zerstochen in einem Lokal Zuflucht vor den Biestern gesucht hatten.
    »In der Dämmerung darf man sich hier nicht raustrauen. Da stechen die Viecher ohne Gnade zu. Das weiß doch jeder«, hatte der Wirt amüsiert zu Eva gesagt.
    War irgendwo am Kühkopf ein Warnschild wie ›Vorsicht vor den Blutsaugern. Betreten auf eigene Gefahr! Mit hohem Blutverlust ist zu rechnen!‹ angebracht?
    Nein.
    Wie das gejuckt hatte, kaum auszuhalten. Eva hatte ihre Bekannte verflucht. Die Kratzspuren waren wochenlang zu sehen gewesen. Seither hatte sie das Ried gemieden.
    Die Weserstraße war schnell gefunden – auf, in die Höhle des Löwen.
    Sie fuhr an einer weißen Doppelhaushälfte vorbei und parkte etwas abseits auf der rechten Straßenseite. Im Vorgarten stand ein kleiner Kugelahorn. Ansonsten wuchs dort nur Gras. Ein eher trostloses Bild, wie passend. Eva lächelte still in sich hinein. Mit einem prüfenden Blick schaute sie sich auf der Straße um. Kein Spaziergänger, kein gelangweilter Nachbar, keine Schulkinder waren zu sehen.
    Sie zog den nudefarbenen Lippenstift nach und betrachtete dabei ihr nahezu faltenfreies Gesicht. Mit ihren schmalen Fingern fuhr sie sich über die Schläfen und zog die Haut ein wenig zurück. Dabei erinnerte sie sich an eine Situation in der letzten Woche, als sie mit ihrem Sohn Mark im K&K Café in Darmstadt gesessen und der Kellner sie doch tatsächlich für dessen Freundin gehalten hatte. Sie wusste natürlich, dass dies nur eine kleine Pflichtübung des Kellners gewesen war und er eine gute Stimmung hatte verbreiten wollen. Aber insgeheim hatte ihr das Kompliment dennoch sehr gutgetan.
    »Ich brauche noch kein Lifting«, sagte sie zu sich selbst.
    »Das finde ich auch.«
    Erschrocken drehte sich Eva um und sah einen attraktiven älteren Mann. Wie aus dem Nichts war er aufgetaucht. Dabei hatte sie vorhin doch die Straße überblickt, da war kein Mensch zu sehen gewesen. Vielleicht brauchte sie eine Brille. Er stand auf dem Bürgersteig neben ihrem Auto und hatte einen Dalmatiner an der Leine.
    »Wie bitte?«
    »Ein Lifting. Das brauchen Sie nun wirklich nicht.«
    »Äh, danke.«
    Sie betrachtete den Fremden genauer. Er war größer als ihr Hermann, kerniges, wettergegerbtes Gesicht, blonde leicht gelockte Haare, sein Dreitagebart schimmerte in der Sonne. Er war bestimmt den ganzen Tag an der frischen Luft, allein schon wegen des Hundes, mutmaßte sie. »Schleichen Sie sich öfter an Damen heran, die in ihrem Auto sitzen und in Gedanken versunken sind?«
    »Nein, in der Regel nicht«, erwiderte er lachend, »allerdings gibt es in dieser Gegend nicht viele Damen, die sich im offenen Mini die Lippen so anmutig nachziehen und sich dabei selbst zulächeln.«
    »Da haben Sie vermutlich recht. Sagen Sie, kennen Sie Audrey? Sie soll in der Gegend wohnen.« Sie stieg aus ihrem geliebten Mini aus und ging mit betont schwingenden Hüften um die Kühlerhaube herum. Sie stellte sich neben den Unbekannten und betrachtete ihn eingehend.
    »Die Audrey, ja, die kennt hier so ziemlich jeder. Die sieht ganz gut aus und
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