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Heimliche Wuensche

Titel: Heimliche Wuensche
Autoren: Jude Deveraux
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auf der Platte an, als wüßte sie nicht, wo der Nachtisch hingekommen war.
    Anna, die Charles inzwischen irgendwo aufgetrieben hatte, kam in die Küche gerannt. »Sie wollen jetzt essen, und zwar sofort.« Anna blickte von der leeren Platte auf Nellies marmeladenverschmierten Mund und grinste. »Haben Sie wieder das Dessert aufgegessen?«
    Nellie blickte zur Seite. Sie würde nicht weinen. »Gehen Sie zum Bäcker«, sagte sie und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Sie schämte sich schrecklich.
    »Der hat bereits geschlossen«, erwiderte Anna in ei-nem Ton, der Nellie verriet, wie schadenfroh sie über Nellies Mißgeschick war.
    »Dann geh zur Hintertür. Sag ihm, es wäre ein Notfall.«
    »Wie beim letzten Mal?«
    »Nun geh schon — bitte«, sagte Nellie zerknirscht. Sie wollte nicht daran erinnert werden, wie oft sie schon das Dessert für die ganze Familie vor dem Servieren aufgegessen hatte.
    Aus Scham über ihre Tat, daß sie zum wiederholten Mal einen ganzen Kuchen, der für vier Personen gedacht war, allein verzehrt hatte, hielt sie den Kopf während des Essens gesenkt.
    Anna servierte mürrisch und lustlos das Dinner, während Charles und Terel sich lebhaft mit Mr. Montgomery unterhielten.
    Nellie beteiligte sich mit keinem Wort an dem Tischgespräch, weil sie sich vor dem Moment fürchtete, wo ihre Missetat entdeckt werden würde. Ihr Vater hatte sich ausdrücklich diesen Nachtisch von ihr gewünscht, und sie wußte, daß er wütend werden mußte, wenn er seine Biskuitrolle nicht bekam. Sie wußte auch, daß er sofort begriff, wo seine von ihm bestellte Nachspeise hingekommen war. Alle Strafpredigten, die er ihr seit Jahren wegen ihrer Eßgewohnheiten gehalten hatte, gingen ihr in diesem Augenblick durch den Kopf. Während der langen Mahlzeit betete sie zu Gott, daß ihr Vater sie nicht vor Mr. Montgomery zur Rede stellen möge.
    Doch nur zu bald brachte Anna dann den beim Bäcker gekauften Kuchen auf den Tisch. Und plötzlich kam auch die Konversation ins Stocken, während Nellie den Kopf noch tiefer über ihren Teller senkte, weil sie den Blick ihrer Schwester und ihres Vaters spürte.
    »Ist es schon wieder passiert, Nellie?« hörte sie nun ihren Vater fragen.
    Nellie nickte nur kurz, und es folgte ein längeres Schweigen.
    »Anna«, sagte Charles dann, »Sie dürfen den Kuchen servieren, aber ich glaube, meine älteste Tochter braucht keine Nachspeise mehr.«
    »Nellie hat ein kleines Problem«, erklärte Terel Mr. Montgomery im ziemlich lauten Flüsterton. »Sie ißt oft ganze Kuchen und Pasteten auf einmal auf. Und vor ein paar Monaten hat sie sogar eine ganze Torte . . .«
    »Entschuldigen Sie mich«, sagte Nellie in diesem Moment, warf ihre Serviette auf den Tisch und rannte aus dem Speisezimmer. Sie blieb erst wieder stehen, als sie im Garten den kühlen Wind auf ihren Wangen spürte. Sie stand eine Weile da und versuchte, ihr klopfendes Herz zu beruhigen. Und sie nahm sich zum hundertsten Mal vor, ihre Eßgelüste zu bezwingen und abzunehmen. Sie machte sich all die Versprechungen, die sie ihrem Vater gegeben hatte, wenn er sie nach solchen Vorfällen wie heute in sein Arbeitszimmer bestellte.
    »Warum mußt du mich und deine Schwester immer in Verlegenheit bringen?« pflegte er seine Strafpredigten einzuleiten. »Warum kannst du nicht jemand sein, auf den wir beide stolz sein können? Wir haben Angst, daß du bei fremden Leuten einen deiner Anfälle bekommst und vor den Augen der Gäste ein halbes Dutzend Pasteten verschlingst. Wir haben Angst, daß . . .«
    »Hallo.«
    Nellie schrak bei dem Klang dieser Stimme zusammen. »Oh, Mr. Montgomery. Ich habe Sie gar nicht kommen hören. Suchen Sie Terel?«
    »Nein, ich war auf der Suche nach Ihnen. Tatsächlich weiß Ihre Familie gar nicht, daß ich hier bin. Ich habe den beiden gesagt, daß ich nach Hause fahren müßte. Ich ging aus der Vordertür hinaus und kam durch das hintere Gartentor wieder herein.«
    Sie brachte es selbst im Mondlicht nicht fertig, ihn anzusehen. Er war so groß und hübsch, und sie hatte sich noch nie so fett und schmutzig gefühlt wie in diesem Augenblick.
    »Es war ein köstliches Dinner«, sagte er.
    »Vielen Dank«, brachte sie murmelnd heraus. »Ich muß jetzt wieder ins Haus zurück. Soll ich Terel Bescheid sagen, daß Sie hier im Garten sind?«
    »Nein, ich will Ihre Schwester nicht sehen. Warten Sie! Gehen Sie nicht. Bitte, Nellie, wollen Sie nicht eine Weile bei mir sitzen?«
    Sie sah zu ihm hoch, als er sie
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