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Heimliche Wuensche

Titel: Heimliche Wuensche
Autoren: Jude Deveraux
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da schon für eine Rolle, was sie anhatte? Er war vermutlich schon viel zu alt, um überhaupt noch etwas zu sehen.
    Sie hob die Tagesdecke auf ihrem Bett an, schob die Hand unter die Matratze und zog einen Liebesroman hervor, den sie dort versteckt hatte. Wenn sie sich nicht umzog, hatte sie bis zum Dinner noch eine Stunde Zeit zum Lesen.

Kapitel 2
    Nellie hielt am Fuß der Treppe an, um noch rasch einen Blick in den Wandspiegel zu werfen. Ihre kastanienbraunen Haare sträubten sich im Nacken; im linken Mundwinkel saß ein Schokoladenfleck, und an ihrem Kragen klebte etwas Grünes — vermutlich Spinat. Sie mochte gar nicht erst hinunterblicken auf ihr altes braunes Baumwollkleid; denn sie wußte, daß der Saum speckig war und ein Fleck auf dem Rock saß, den sie auch mit Seifenlauge nicht mehr herausbekam.
    Terel lag ihr immer in den Ohren, daß sie, Nellie, neue Kleider brauchte, hatte ihr sogar angeboten, bei der Auswahl einer neuen Garderobe zu helfen; aber Nellie schien nie Zeit für die Besorgung von Kleidern zu finden. Da sie kochen mußte und nachbessern, wo Anna nicht richtig saubergemacht hatte, und Terel helfen mußte, damit sie mit ihren zahlreichen Verabredungen zurechtkam, schien nie genug Zeit übrigzubleiben für so frivole Sachen wie neue Kleider.
    Nun mußte sie sich nicht nur um das Dinner kümmern und Anna Anweisungen geben, damit sie wenigstens halbwegs richtig das Essen servierte, sondern auch noch einen Gast unterhalten, der eine Stunde zu früh gekommen war.
    Was hatte ihn schon so früh hierhergeführt? fragte sie sich.
    Sie ging in den Salon, und er stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und blickte ins Freie hinaus. Sie wußte sofort, daß er kein alter Mann war.
    »Mr. Montgomery«, sagte sie, auf den Gast zugehend.
    Er drehte sich um, und Nellie hielt einen Moment den Atem an. Er sah gut aus. Sehr gut sogar. Terel würde eine angenehme Überraschung erleben, wenn sie zum Dinner herunterkam.
    »Es tut mir so leid, daß ich Sie so lange warten ließ, aber ich . . .«
    »Ich bitte Sie! Sie brauchen sich doch nicht zu entschuldigen.« Er hatte eine Stimme, die perfekt mit seiner Gestalt und seinem Gesicht harmonierte. Er war ziemlich groß, schlank, muskulös und hatte dunkle Haare und Augen. »Es ist eine fast unverzeihliche Grobheit von mir, schon so früh in Ihrem Haus zu erscheinen, und ich . . .« Er blickte auf seine Hände nieder.
    Nellie hatte schon immer ein Gespür für andere Menschen gehabt, eine Hellsichtigkeit für das, was sie bedrückte. Er ist einsam, dachte sie, und lächelte. Dieser so gutaussehende Mann war lediglich einsam. Ein gutaussehender Mann, der gekommen wäre, um sie zu besuchen, hätte Nellie in eine peinliche Verlegenheit versetzt. Aber ein einsamer Mann, ob hübsch oder häßlich, jung oder alt, war eine Sache, die sie zu meistern wußte. Sie vergaß ihr schmutziges Kleid.
    »Wir freuen uns, Sie bei uns zu haben, egal, um welche Zeit Sie kommen«, sagte Nellie und lächelte ihm zu. Und dieses Lächeln verwandelte ihr bereits hübsches Gesicht in das einer Schönheit. Sie bemerkte nicht, wie Mr. Montgomerys Miene sich veränderte. Er hörte auf, sie mit der Verlegenheit eines Mannes zu betrachten, der eine Stunde zu früh gekommen war, und fing an, sie als Frau zu sehen.
    Wäre Nellie auf diesen Wechsel in seinem Mienenspiel aufmerksam geworden, hätte sie dennoch nicht gewußt, was er bedeutete. Hübsche Männer betrachteten Terel, aber nicht sie. Immer noch lächelnd, fuhr sie fort: »Wir haben einen wunderschönen Garten«, sagte sie, »und dort ist es viel kühler. Vielleicht möchten Sie ihn einmal sehen?«
    »Nur zu gern«, antwortete er, ihr Lächeln erwidernd. Er hatte ein Grübchen in der rechten Wange.
    Sie führte ihn aus dem Salon, durch die Halle und dann aus einer Seitentür hinaus in den Garten hinter dem Haus. Der Garten war einer von Nellies heimlichen Freuden. Ihr Vater meinte, Blumen anzupflanzen wäre eine Vergeudung von Zeit und Boden; aber Nellie hatte darauf bestanden, daß man ihr in der Gestaltung des Gartens freie Hand lassen müsse.
    Die späte Herbstsonne ging gerade hinter dem Garten unter, und er war wunderschön. Zwischen hohen Maispflanzen wuchsen Ringelblumen, und Chrysanthemen blühten neben Kohlköpfen. Der Zaun am Ende des Grundstücks verschwand förmlich hinter Mohnblüten, und unmittelbar vor ihnen befand sich ein Beet voller duftender Kräuter, die Nellie für die Küche benötigte.
    »Schön«, sagte er, und Nellie
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