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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)
Autoren: Angelika Meier
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vorstellen. Kein geschlossenes Rad, nur dieses kleine offene Ding hier, sieht aus wie von einem mickrigen Motorbötchen, nicht? Wir setzen es nur noch notfalls zur Kontrolle der beiden Ruder ein. Läuft alles automatisch. Das Steuerungssystem liest unsere Positionen, also Radar, GPS, Sichtpeilungen und so weiter von selbst. Und dadurch haben wir ganz freie Hand. Wir tragen zwar noch immer gewissenhaft unsere Positionen in die Karte ein, aber nur noch für uns selbst, und das ist etwas ganz anderes als früher, als man es machen musste, derart wandelt sich die gesamte Apparatur. Auch die melodiösen Einträge des Echolots etwa sind so zu meiner persönlichen Kurve, ja zu meinem ganz eigenen Thema geworden. Die Dinge bekommen einfach einen anderen Wert. Ein Mann würde ja reichen, um das Schiff zu steuern, im Grunde ist sogar keiner mehr vonnöten. Doch wir gönnen uns hier den Luxus von zwei nautischen Wachoffizieren«, er zeigt auf die Rücken der beiden sitzenden Männer, »Pilot, Copilot, und, damit nicht genug, auch noch einen Matrosen, der zusätzlich ein Auge nach draußen wirft. Und natürlich ist da auch noch der Steward, der Sie empfangen hat. Der geht die meiste Zeit einfach nur auf dem Hauptdeck spazieren. Wer kann sich das heutzutage schon noch leisten? Das möchte ich wirklich mal wissen.«
    Kapitän Dr. Beaufort faltet die Hände auf dem Rücken, lehnt sich bequem an die Rückwand seiner eichenen Kammer und betrachtet mit zufriedenem Ausdruck seine Mannschaft. Automatisch tun wir es ihm gleich, lehnen uns neben ihn an die sonnengewärmte Holztäfelung und schauen blinzelnd auf die drei Männer vor uns und an ihnen vorbei durch die Fenster ins ununterscheidbare Himmelwasserblaue. Zuversichtlich schlinge ich meine Arme um Esther und verknote meine Hände auf ihrem Hüftknochen. Sie zwinkert mir lächelnd zu, erwidert meine Umarmung und ich ziehe sie ganz nah zu mir heran, während der Kapitän schläfrig unsere nautische Einführung zum Abschluss bringt:
    »Ich will Sie nicht länger langweilen, sollen ja die Fahrt genießen, das ist hier schließlich ein Andachtsraum, will Ihnen nur noch kurz unseren Hauptantrieb erklären. Den regeln wir nämlich nach wie vor selbst. Mit diesen beiden großen Hebeln da setzen wir den Maschinentelegraphen in Gang. Wir haben einen Vater und einen Sohn, also eine große und eine kleine Maschine, die zusammen auf die Welle arbeiten, und damit können wir die Schraube, wenn’s sein muss, bis in alle Ewigkeit antreiben. So, dann wollen wir Ihnen jetzt mal ein bisschen Dampf machen. Wenn ich bitten dürfte, mein Herr!«
    Ohne sich umzudrehen gleitet der erste Wachoffizier von seinem hohen Hocker herunter, tritt einen geschmeidigen Wiegeschritt zur Seite an den Hebeltisch und zieht seine weiße Uniformjacke aus, unter der er ein ebenso tadellos weißes, ärmelloses Hemd trägt. Sein Anblick versetzt mir einen Schlag in den Solarplexus, und mit gestocktem Atem schaue ich zu, wie er langsam Haltung annimmt. Er zieht die Schultern straff zurück, verschränkt über dem Steiß die Hände, sodass sich seine mächtigen, über und über tätowierten Arme wie ein grünlilaschillernder schwarzer Rettungsring auf seinem Rücken schließen, und wartet auf das Kommando seines Kapitäns. Als es schließlich kommt, greift er mit weitgebogenen Armen die beiden Hebel und drückt sie von sich weg bis ganz nach unten durch, volle Kraft voraus , doch mit ebenso voller Kraft halte ich dich umschlungen und hältst du mich, and it burns, burns, burns, the ring of fire, the ring of fire, the ring of fire …
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