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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)
Autoren: Angelika Meier
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vertrauen, Esther, du musst mir ab jetzt mehr vertrauen, mir mehr vertrauen und mir weniger zutrauen. Ich schaff’s sonst nicht.«
    »Ja, das weiß ich, und ich will es auch versuchen, aber ich – ich muss wirklich!«
    Sie windet lachend ihre Handgelenke aus meinen Handschellen, küsst mich und sagt dann leise:
    »Es steckt überhaupt nichts dahinter, wirklich.«
    »Ist gut, dann lauf schnell!«
    Sie hüpft von der Couch, und ich sollte sie in Ruhe gehen lassen, kann’s aber nicht. Wenn ich einfach nur hier liegenbleibe und warte, ist sie sicher gleich wieder verschwunden, vollkommen verschwunden. Es hat sie nie gegeben. Stehe also eckig auf, warte bis der Schwindel sich einigermaßen legt und torkele ihr zum Bad hinterher. Muss mich an der Flurwand festhalten, nur kurz, geht gleich …, Pamplona, Pamplona, das schießt aber ganz ordentlich … Doch da geht zum Glück die Badezimmertür auf und sie ist wieder da.
    »Oh je, du bist noch immer nicht ganz wieder da, wie? Komm, leg dich wieder hin.«
    »Nein, warte, ich will dir was zeigen.«
    Ich kann tatsächlich tief atmen, bis ganz hinunter, niemand hält mich auf, und so trete ich wagemutig vor das Schrankmonster. Seine schauerlichen dunklen Furniertüren sind wieder da, ich fasse die beiden verklemmten kleinen Türknaufe und drehe meinen Kopf langsam zu Esther zurück:
    »Komm!«
    »Nein!« Ihre plötzlich eiskalte Stimme wackelt im eigenen Nachhall, springt dann zwei Lagen nach oben wie die Katze auf den Baum: »Ich will nicht!«
    »Bitte!«
    Und plötzlich, ohne jedes Zaudern, stellt sich Esther neben mich, nimmt meine Hand und nickt mir kurz und zackig zu. Mit angehaltenem Atem öffne ich dem Ungeheuer das Hochkantmaul und – oh Gott! Erleichtert erschrocken lachen wir auf – wie wir aussehen! Ich in meinem durchgewalkt zerknüllten, aber noch immer ordentlich bis oben zugeknöpften Kittel und mit am Hinterkopf zu Berge stehenden Haaren, und du in deinem bauchnabelkurzen schwarzen Unterhemd und wie immer ohne Unterhose, aber dafür in meinen kaputtgelatschten blaugrüngemusterten Hausschuhen. Da stehen wir, wie Gott oder wer auch immer uns schuf, und halten uns gegenseitig vor Lachen die Bäuche. Da ist nichts als ein lächerlicher alter Spiegel in der Innenseite der Rückwand, schwarzfleckig blind überall. Da ist niemand, niemand außer uns. Mit erschöpften Seufzern trollt sich unser Lachen, ich schließe die böse Kiste ein Mal für alle Male, wir wenden uns von ihr ab und einander zu.
    »Damals … vorhin wolltest du mir gar nicht sagen, dass du mich verlässt, sondern dass du schwanger bist, oder?«
    »Ja …, woher …?«
    »Und warum hast du’s mir nicht gesagt?«
    »Ich wollte ja, du hast mich nicht zu Wort … Nein, ich hab mich nicht getraut, weil ich … es ist idiotisch, aber ich würd’s gern behalten, und weil ich weiß, dass du dich niemals für ein Kind entscheiden würdest und ich ja eigentlich auch keins will, habe ich es dir sagen wollen und auch wieder nicht.«
    »Das stimmt, ich würde mich niemals für ein Kind entscheiden, aber wenn das Kind sich für einen entschieden hat, ist das ja was anderes, oder? Ich meine, wo es schon mal da ist …«
    »Äh … bisher ist da gar nichts, ich hab bloß einen Keimling in einer Schleimhaut, weil wir vor sechs Wochen mal wieder nicht …«
    »Nein nein, es ist längst da, es ist ja schon fast erwachsen und kann nur noch immer nicht zur Welt kommen. Also wird es vielleicht langsam Zeit.«
    »Oh je, du hast ja doch Fieber, deine Augen glänzen auch so komisch und deine Stirn ist …«
    »Willst du’s haben oder nicht?«
    »Ja, ich will’s behalten.«
    »Gut. Wie willst du’s nennen?«
    »Also darüber habe ich mir nun wirklich noch keine …«
    »Doch, hast du doch!«
    »Woher …? Also, ja, wenn es ein Mädchen wird, würde ich sie gern Evelyn nennen, und wenn es …«
    »… ein Junge wird, wovon wir ausgehen können, dann nennen wir ihn auch Evelyn, einverstanden?«
    »Äh …?«
    »Einverstanden?«
    »Ja … ja!« Endlich glättet sich ihre Stirn und sie lächelt. »Sieh mal, es ist längst hell draußen!«
    Sie zieht mich aus dem dunklen Flur hinter sich her auf die Terrasse in die strahlende Augustmorgensonne, ich ziehe den Kittel aus, recke und strecke mich gähnend, greife mit Erleichterung nach einer halbgefüllten Wasserflasche, die noch von gestern hier rumsteht, lasse das schale Wasser genüsslich in einem Zug in mich hineinlaufen, derweil Esther sich eine Unterhose von der
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