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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Charlemagne noch stehen, und Mackie, der hatte kehrtmachen wollen, fragte: »Gibt’s noch was?«
    »Hast du nichts bemerkt?«
    »Was denn?«
    »Wie der Rote plötzlich abbrach.«
    »Komisch sind die Indsmen immer.«
    »Er hätte doch antworten können. Aber nach der Bärenbande ist er nicht gern gefragt. Hast du das nicht bemerkt?«
    »Kann ja sein. Was kümmert mich das!«
    »Vielleicht wird es uns alle noch einmal kümmern, mehr als uns lieb ist.«
    »Verstehe dich nicht.«
    »Er stammt doch aus der Bärenbande. Weiß der Teufel, was er heute noch für Verbindungen dorthin hat.«
    »So, meinst du?«
    »Ich will nichts gesagt haben. Aber wenn ich dran denke, wie die uns alle vergiften wollten …, dann wäre mir ein anderer als Kundschafter schon lieber als ausgerechnet einer von diesem Stamm!«
    Mackie spuckte aus. »Mir gefallen die Indsmen überhaupt nicht! Hab gehört, die sollen heute nacht bei der Feier auch dabei sein. Wozu das? Vielleicht ladet der Joe Brown auch noch einen Nigger ein!«
    »Soweit kommt’s. Wir müssen besser zusammenrücken.« Die beiden gingen wieder in das Lager.
    Die Zeit verlief. Gegen Mitternacht waren ungewöhnlich viele Männer, auch Frauen und Mädchen, auf den Beinen, um die Ankunft des Zuges zu erleben. Noch gingen auch die Materialzüge nicht regelmäßig. Manchmal hob der Sturm einen Zug aus dem Gleis, oder eine Büffelherde legte sich vor die Lokomotive, so daß kein Weiterkommen war. Die Indianer rissen, wenn es ihnen unbeobachtet gelang, die Gleise auf, denn sie hatten längst begriffen, daß die Lokomotive, dieses Geheimnistier, nur auf dem Gleispfad laufen konnte und auf Grasboden, ja selbst auf einem staubigen Büffelpfad völlig hilflos war.
    Der Zug sollte nicht nur Material, sondern auch Löhnung und Proviant bringen. Alles spähte nach dem Zuge aus.
    Als in der Stille der nächtlichen Wildnis das Rollen der Räder, das Stampfen der Kolben zu hören war, Schossen die freudigen Rufe in der Station auf, und als die Lokomotive, dampfend und pfeifend, die letzte Biegung nahm, schlügen sich die Männer gegenseitig auf die Schultern und sich selbst auf die Schenkel, denn nun stand nicht nur fest, daß der Zug wohlbehalten ankam, sondern auch, daß Joes Abschied gebührend gefeiert werden konnte.
    Der Lokomotivführer bremste, der Zug hielt. Die Ausladekolonnen standen schon bereit und griffen sofort zu.
    Joe Brown hatte sich mit Henry und mit dem Leiter des Stationslagers, Taylor, zusammengefunden.
    »Also am letzten Tage doch noch einmal etwas genau nach der Richtschnur gegangen«, sagte der Ingenieur. »Dann können wir anfangen zu feiern! Kommt!«
    In der Nähe der drei hatten noch zwei weitere Ingenieure gestanden, darunter Browns Nachfolger. Sie schlössen sich an, und die Gruppe ging langsam zu dem Hauptplatz und dem riesigen Zelte, das als Speiseraum und Wirtsstube diente. Einfache Tische und Bänke waren aufgestellt, in der Mitte des großen Raumes war ein Podium aufgebaut, und die Kapelle mit dem neuen Zigeunergeiger hatte sich bereits eingefunden. Als die Gruppe der angesehenen Personen eintrat, intonierten die Musiker einen Empfangstusch, und von verschiedenen Tischen dröhnten bereits Willkommensrufe. Das Zelt füllte sich rasch. Ein allgemeiner Lärm breitete sich aus, in dem jedes einzelne Geräusch nicht mehr nach seiner eigenen Natur, sondern nur noch als Lautverstärkung wirkte.
    Die Tische und Bänke waren so gestellt, daß rings an den Zeltwänden entlang ein äußerer Kreis führte. Davon durch einen Zwischenraum, einen Gang, in dem sich drei bis vier Personen nebeneinander bewegen konnten, getrennt, waren die Tische dann in einem großen inneren Rechteck angeordnet. Durch dieses führten für die Bediener nur schmale Gänge, netzförmig, längs und quer. Der Tisch für die Ingenieure und den Stationsleiter befand sich in der äußersten Reihe dieses Rechtecks, unmittelbar an dem breiten Gange, an der oberen Schmalseite des Zeltes. An der unteren waren die Schanktische aufgestellt.
    Für den Tisch, an dem Joe Brown sitzen sollte, hatte jemand eine Tischdecke und Blumen herbeigeschafft. Das wirkte im gewohnten Milieu erstaunlich, vielleicht auch töricht, und Henry hatte davon nichts gewußt, tat aber jetzt so, als ob dies unbedingt sein müsse. Joe Brown in der Mitte, sein Nachfolger links von ihm, der Stationsleiter rechts, präsidierten. Sie hatten den breiten Gang im Rücken und konnten ungehindert bedient werden. Die anderen Ingenieure, der
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