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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition)
Autoren: Greg Bear
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dieses politischen Gleichgewichts vermeiden, nicht verursachen. Denn wenn man so etwas verursacht, werden sehr viele Menschen ihr Leben lassen müssen. Und das ist den Politikern auf höherer Ebene auch bewusst. Vielen Bürgern ist das nicht bewusst, sie haben keine Ahnung von Geschichte und von Politik. Sie wissen nicht, wie Staaten und Kulturen funktionieren, wie deren Systeme arbeiten. Nehmen wir zum Beispiel die vielen Leute, die gegen den Golfkrieg protestiert haben: Ich frage mich, wie sie wohl reagiert hätten, wenn sie wegen Ölmangels arbeitslos geworden wären – fünf Jahre später vielleicht. Das ist in europäischen Ländern ja schon des Öfteren passiert.
    Die Amerikaner haben immer Angst davor gehabt, in europäische Kriege verwickelt zu werden. Und beim Krieg in Jugoslawien war es für uns abstoßend zu sehen, dass die europäischen Staaten sich wieder genau so verhielten wie im Ersten Weltkrieg, dass sie zum Beispiel die riesigen medizinischen Probleme, die politischen Probleme einfach ignorierten und es zuließen, dass immer wieder grausige Dinge geschehen konnten. Ich finde, sie hätten ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen müssen, schließlich fand dieser Krieg in ihrem Hinterhof statt. Andererseits war es für uns moralisch nicht vertretbar, nichts zu tun. Die Amerikaner wollen in moralischer Hinsicht immer gut dastehen. Und das ist auch echt, sie nehmen am Leiden anderer tiefen Anteil. Oft wissen wir nicht, wie wir uns gegenüber Europa und Asien verhalten sollen, wo das Leiden schon so lange andauert und so tief geht. Es liegt außerhalb unserer Erfahrung. Wir sind nicht so welterfahren, dass wir wissen, wo wir unsere Kräfte effektiv einsetzen können. Ich habe das Gefühl, dass wir uns hinsichtlich Jugoslawien so richtig verhalten haben, wie es unter den gegebenen Umständen in dieser Region möglich war. Denn wir haben ja die ganze Zeit darauf gewartet, dass endlich irgend jemand tat, was getan werden musste. Aber die europäischen Staaten haben wieder einmal versagt. Sie haben schrecklich versagt. Und dann schaut Europa auf uns, nachdem es so schrecklich versagt hat, und erwartet von uns Richtlinien. Aber wir sind noch ganz jung, gerade aus der Vorschule. »Mann, habt ihr aber ein großes Haus!« Mein Gott, dabei habt ihr in Europa tausend Jahre Zeit gehabt, solche Dinge zu bekämpfen, ihr solltet wirklich wissen, wie ihr das wieder aufräumt, was ihr selber angerichtet habt. So denken wir darüber, viele Amerikaner denken so darüber, seit zweihundert Jahren schon. Viele Einwanderer kamen und kommen hierher, um die europäischen Probleme hinter sich zu lassen. Es ist für uns wie ein Albtraum, dass es dort immer so weitergeht.
    F: Mit meiner letzten Frage möchte ich, an Ihre politischen Überlegungen anknüpfend, noch einmal zurück auf die Literatur kommen, auf die Science Fiction. Wenn Sie an den politischen Hintergrund des Romans denken, an dem Sie gerade arbeiten – Sie sagten, er sei in der nahen amerikanischen Zukunft angesiedelt –: Gibt es in diesem neuen Roman von Ihnen noch Nationalstaaten? Oder nur noch vereinigte Blöcke? Oder regieren darin, wie bei Gibson oder Sterling, die multinationalen Konzerne? Wie sieht darin die internationale politische Szene aus?
    A: Ich glaube, dass es in der vorhersehbaren Zukunft ein relativ stabiles Gefüge von Nationen geben wird, eine Welt von Nationen. Die Konzerne wollen die Welt nicht managen, sie hassen so etwas. Sie wollen nicht in die Politik verwickelt werden, außer wenn es darum geht, dass man ihnen die Steine aus dem Weg räumt. Sie wollen nicht, dass Politik ihnen bei ihren Geschäften dazwischenkommt. Aber natürlich muss man da ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaftsinteressen und nationalen Interessen und allem anderen herstellen. Ich habe also ein anderes Bild von der Zukunft als Gibson in Neuromancer, ich sehe nicht diese Art von dystopischer Zukunft. Ich glaube, als reale Möglichkeit ist das schon im Schwinden begriffen. Die japanische Vorherrschaft ist während der letzten paar Jahre mit Sicherheit ganz schön erschüttert worden.
    Ich sehe die Welt überhaupt nicht so trübe und schwarz. Ich sehe sie aus organischer Perspektive. Und das bedeutet, dass es gute wie schlechte Zeiten geben wird. Die Amerikaner würden sich gern auf die guten Zeiten konzentrieren und die schlechten vergessen. Aber Geschichten handeln selbstverständlich von den schlechten Zeiten, und die wird es auch geben. Meiner Meinung nach
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