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Heile Welt

Heile Welt

Titel: Heile Welt
Autoren: Walter Kempowski
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nehmen.
    «Jeder wurschtelt vor sich hin. Man muß sehen, wie man durchkommt. »

53

    I m März kam Kamerad Bentwitsch und lieferte den Caravan ab. Der Frühling kündigte sich an:
    Im Märzen der Bauer sein Rößlein anspannt…
    Zeit, mit der Sache hier weiterzukommen. Der Kaufvertrag für das Wiesengrundstück an der Eische war endlich unterzeichnet worden. Alles wäre einfacher gewesen, wenn der Eleve nicht dauernd dazwischengeredet hätte. Von Wegerecht hatte er etwas in den Vertrag schreiben wollen, obwohl ihn das doch gar nichts anging, daß er jederzeit über die Wiese fahren darf mit seinem Trecker, wenn er mal irgendwohin will, als Gegenleistung wolle er dann, wenn’s grade mal so kommt, das Gras abmähen für die Schweine, das wächst dem Herrn aus Wuppertal ja sonst in das Fenster hinein und so weiter.

    Nun die Finanzen klären.
    Matthias ging mehrmals um den Wagen herum und trat mit dem Fuß gegen die Reifen. Der Kamerad klappte mittlerweile die Motorhaube auf, drückte auf ein Ventil, zog den Ölmeßstab heraus, klappte die Haube wieder zu und zeigte auf eine Halterung hinten, über dem Reservereifen, in die man ein Fahrrad würde einklinken können. Den Dachgepäckträger, an sich noch ganz neu, der eigentlich gar nicht zu dem Wagen gehörte, den gab es dazu. Tadellose Scheibenwischer, und die Stoßstange vor kurzem erst ausgetauscht, nach einer kleinen Karambolage, die natürlich immer mal vorkommen kann.

    Die Australier hatten sich eingefunden zu dieser Zeremonie, die hörten sich alles an.
    Die Männer setzten sich in das frisch gewaschene und geputzte Gefährt, erst hinter das Steuer – eben noch mal mit einem Staubtuch das Armaturenbrett überpolieren -, Kilometerstand 30 000? War der denn erst so wenig gefahren? – Nein, natürlich nicht, einmal war er schon«rum». Also sozusagen dreimal die Erde umrundet?
    «Ja, was denkst du denn, was so ein Auto aushält?»
    Dann quetschten sie sich hintenrein, der Stauraum wurde begutachtet, der hatte sich seit letztem Mal nicht vergrößert, aber für eine Person ja übergenug, wenn man bedenkt, daß der Wagen jahrelang von einer ganzen Famlie benutzt worden war? Das hatte ja auch gehen müssen… Bis nach Berchtesgaden gefahren, wo es Postkarten zu kaufen gab vom Berghof, und sogar in die Ostzone, was ziemlich heikel gewesen war. Während sie die Lichthupe drückten und feststellten, daß die Rücklichter einwandfrei funktionieren, schoben sich die Australier unter das Auto. Die wollten mal sehen, ob die Bodenwanne vielleicht schon durchgerostet ist. Und tatsächlich, sie meldeten positiven Befund: allerhand Eingebeultes und Gerissenes.
    Er überlegt, ob er ihnen nicht links und rechts welche reinhaut, sagte Kamerad Bentwitsch. Was sie unter dem Auto zu suchen haben, und wenn er nun losgefahren wär’: platt wie’ne Briefmarke! So ein Leichtsinn!

    Die beiden Kameraden, die im Knast jede Kippe geteilt hatten, setzten sich, um zu einem Abschluß zu kommen, an den Tisch: Matthias schob seinem Kumpel das Geld, das er für die Kegelkugeln bekommen hatte, über den Resopaltisch, und der Kamerad zählte das Geld nach. Aber als sie nun erfuhren, wie die Sache mit der Bodenwanne stand, war guter Rat teuer. Da war Kamerad Bentwitsch aus Wuppertal gezwungen, einige der Geldscheine wieder rauszurücken: Sauer kam ihn das an! Schließlich reichten sie sich aber doch die Hand, wie sich das gehört unter Handelsleuten, und die Sache war perfekt.

    Bentwitsch stand auf und ging zu Carla hinüber, die sich jetzt FreedeDüpong nannte-in einem halben Jahr würde sie«Schmidt»heißen -, sie stand bereits in der Tür. Er gab ihr das Geld für das Stück Land, und sie zählte es nach.
    Matthias blieb inzwischen sitzen und sah, daß die Tischplatte, auf der er dann später, in Neapel oder in Lappland, seine Spiegeleier essen würde, eingerissen war, man würde mit dem Ärmel immerfort dran hängenbleiben. Und die Bestecke in der Schublade alle etwas rostig! Waren das nicht überhaupt ganz andere Messer gewesen, damals, als er hier ein Kotelett gegessen hatte, von seinem Kameraden gebraten, mit einengendem Schlips?

    Nachdem Bentwitsch auch den Bauersleuten die Hand geschüttelt hatte, weil man das so macht nach einem abgeschlossenen Handel, das sind uralte Gesetze, die man respektieren muß, nahm er das Püppchen vom Rückspiegel des Autos, eine Art Maskottchen, das schon auf so mancher Fahrt dabeigewesen war, und überreichte Matthias den Autoschlüssel. Dann stellte
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