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Heidi

Heidi

Titel: Heidi
Autoren: Johanna Spyri
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Butler öffnete ihnen und ließ sie in eine große Halle treten. Heidi starrte mit offenem Mund die zierlichen Möbel und den prunkvollen Leuchter an, der von der Decke hing.
    „Das sieht hier ja aus wie in einem Schloss!“, rief sie. „Schsch!“, mahnte Dete. „In diesem Haus darfst du nur reden, wenn du gefragt wirst. Und bitte sei höflich, mach einen Knicks und gib jedem die Hand.“ Heidi wollte etwas erwidern, sie wusste nämlich nicht, was ein Knicks war, doch im selben Moment wurde eine der vielen Türen geöffnet, und eine dünne Dame mit spitzer Nase und mürrischem Gesicht trat auf sie zu.

    „Willkommen im Hause Sesemann“, sagte sie steif und richtete ihren Blick sogleich auf Heidi. „So, und das ist nun also das Naturkind“, fuhr sie abfällig fort. „Wie heißt du denn?“

    „Heidi“, sagte Heidi artig
    und streckte der Dame ihre Hand hin.
    „Und wie heißt du?“
    Die Dame schnappte nach Luft.
    „Na, also, so etwas!“, empörte sie sich.
    „Heidi! Das ist doch kein Name!“

    „Das Kind heißt Adelheid“, beeilte Dete sich, zu erklären. „Und du stellst dem Fräulein Rottenmeier bitte keine Fragen“, raunte sie Heidi ins Ohr.
    „Ich finde Heidi viel hübscher als Adelheid“, ertönte da eine helle Stimme hinter ihnen. Heidi wirbelte herum und sah ein blasses, blondhaariges Mädchen, das ein wenig älter als sie selbst war und in einem Rollstuhl saß. „Willkommen in Frankfurt“, rief es. „Ich bin Klara, und ich freue mich, dass du da bist.“
    Heidi ließ ihr Bündel fallen und ging auf Klara zu. „Ja, aber warum musst du denn in diesem Räderstuhl sitzen? “, fragte sie. „Kannst du gar nicht laufen?“

    Klara schüttelte den Kopf. „Als ich klein war, hatte ich eine schwere Krankheit und davon habe ich schwache Beine zurückbehalten.“

    Heidi mochte Klara auf Anhieb.
    Den ganzen Abend
    hockten die beiden Mädchen zusammen.
    Heidi erzählte vom Großvater, dem Peter,
    den Almwiesen und den Geißen.
    Danach erklärte Klara Heidi
    die wichtigsten Hausregeln.

    So sollte sie immer hübsch leise sein, weder herumrennen oder gar hüpfen, pünktlich zum Schulunterricht und zu den Mahlzeiten erscheinen und stets den Anordnungen des Dienstpersonals folgen. „Das gilt aber nur, wenn Fräulein Rottenmeier in der Nähe ist“, setzte Klara hinzu. „Außerdem sind die Dienstboten sehr nett. Allen voran der Sebastian. Der hat ein gutes Herz.“
    In der Tat musste Heidi schon am ersten Tag eine Menge lernen, zum Beispiel dass sie das Essen auf ihrem Teller nicht einfach in die Hand nehmen durfte,
sondern Messer und Gabel benutzen musste. Außerdem zeigte Fräulein Rottenmeier ihr das Haus, das aus unzähligen Türen und vielen ganz ähnlich eingerichteten Räumen bestand.

    Heidis Zimmer war größer
    als Großvaters ganze Hütte.
    Vor dem Fenster war
    ein schwerer Vorhang.
    Heidi konnte vom Bett aus
    keine Sterne sehen.
    In der ersten Nacht schlief sie sehr unruhig
    und träumte von der Alm.

Auf dem Kirchturm
    Jeden Morgen ließ Heidi zwei weiße Brötchen für die Großmutter in ihre Röcke fallen und versteckte sie nach dem Frühstück in ihrem Kleiderschrank. Fräulein Rottenmeier wagte sie nämlich nicht danach zu fragen und Dete war schon seit Tagen nicht mehr aufgetaucht. Der Brötchenberg war schon mächtig gewachsen, und allmählich wurde es Zeit, ihn einzupacken und in die Schweiz zu bringen. Doch niemand im Haus sprach jemals von Heidis Rückkehr zum Großvater auf die Alm und auch Klara wollte nichts davon hören.
    „Zuerst musst du lesen und schreiben lernen“, sagte sie.
    Aber damit tat Heidi sich schrecklich schwer. Die schwarzen Buchstaben, die ihr Privatlehrer, der Herr Kandidat, aufmalte, sahen aus wie Fliegendreck. Es war Heidi ein Rätsel, wie man daraus Wörter formen sollte. Sie erzählte lieber von der Alm, dem Großvater, den Geißen, dem Adler und den Murmeltieren. Der Herr Kandidat ermahnte sie ein ums andere Mal und Heidi wurde immer trauriger.

    Eines Tages fasste sie einen Entschluss.
    Durch das Fenster des Studierzimmers
    hatte Heidi einen Kirchturm entdeckt.
    Er war sehr hoch
    und er stand ganz in der Nähe.
    Bestimmt konnte man von dort aus
    die Berge sehen.

    Als Klara sich nach dem Mittagessen in ihr Zimmer zurückgezogen hatte und Ruhe im Haus einkehrte, schlüpfte Heidi in ihre Jacke, tappte zur Tür und lief auf die Straße hinaus. Sie schaute nach rechts und nach links, stellte sich auf die Zehenspitzen und verrenkte sich fast den Hals,
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