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Heidi

Heidi

Titel: Heidi
Autoren: Johanna Spyri
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jeden Tag dort hinauf?“, fragte Heidi.
    „Natürlich“, erwiderte Peter. „Die Ziegen, wie du sie nennst, heißen bei uns in der Schweiz Geißen. Sie müssen sich im Sommer ordentlich dick futtern, damit sie den kalten Winter im Stall überstehen. Dann nämlich ist die Alm viele Wochen lang mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Der Winter ist die langweiligste Zeit im ganzen Jahr“, fügte er übellaunig hinzu. „Denn dann muss ich ins Dörfli hinunter, zur Schule gehen und Lesen, Schreiben und Rechnen lernen.“
    „Ach“, versuchte Heidi, ihn aufzumuntern. „Bis zum Winter dauert es noch ewig.“
    „Zum Glück“, brummte der Geißenpeter. Er blieb stehen und deutete auf eine Hütte, die ein wenig abseits in einer windgeschützten Mulde lag. „Da drüben wohne ich mit meiner Mutter, der Brigitte, und der blinden Großmutter. Du musst uns bald einmal besuchen kommen.“

    „Das mache ich“, versprach Heidi.
    Dann liefen die Kinder weiter.
    Die Geißen sprangen lustig voran.
    Sie zupften hier und dort einen Halm
    und meckerten unentwegt.
    Einige trugen Glocken um den Hals,
    die bei jedem Sprung leise bimmelten.

    Eine gute halbe Stunde später erreichten sie die Hütte des Großvaters. Peter verschwand sofort im Stall und holte die Geißen des Öhis, Schwänli und Bärli, heraus. „Bis später!“, rief er Heidi zu und machte, dass er mit seiner Herde fortkam. Denn er hatte höllischen Respekt vor dem alten Mann.

    Der Almöhi hockte auf einer Bank vor dem Haus und blies dunkle Rauchwolken aus seiner Pfeife in die Luft. Er hatte seine buschigen Augenbrauen zusammengezogen und musterte Heidi mit finsterem Blick.
    „Guten Tag, Großvater“, sagte sie und streckte ihm höflich ihre Hand entgegen. „Ich bin Heidi. Und ich wohne jetzt bei dir, weil die Dete mich nicht mehr brauchen kann.“
    „Soso, die Dete“, brummte der Almöhi und blies noch mehr dicke Rauchwolken aus. „Das werden wir ja sehen.“
    Heidi klopfte das Herz bis zum Hals hinauf. Trotzdem nahm sie all ihren Mut zusammen und setzte sich neben ihren Großvater auf die Bank.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Dete, die nun bepackt wie ein Maulesel war, endlich herangeschnauft kam. „Du ungezogenes Kind!“, schimpfte sie. „Lässt mich deine ganzen Sachen schleppen!“
    Heidi legte den Kopf schief und sah Dete treuherzig an. „Es war doch so schrecklich warm“, verteidigte sie sich und wackelte munter mit den nackten Zehen. „Barfuß wie die Geißen läuft es sich viel besser.“

    „Na warte“, stöhnte Dete. „Dein Großvater wird dir den Kopf schon zurechtstutzen.“
    Der Öhi knurrte leise. „Was soll das Kind bei mir?“, fragte er barsch.
    „Das Kind ist deine Enkelin“, erwiderte Dete. „Die Tochter deines Sohns Tobias und deiner Schwiegertochter Adelheid. Ich habe lange genug für sie gesorgt. Jetzt bist du dran, und ich rate dir: Behandle die Heidi gut, sonst reden die Leute im Dorf unten noch mehr über dich.“
    Der Almöhi zog noch einmal an seiner Pfeife. Dann stand er von der Bank auf und machte einen Schritt auf Dete zu.

    Er streckte den Arm aus und polterte:
    „Schau, dass du fortkommst!
    Und lass dich hier nie wieder blicken!“
    Das war der Dete gerade recht.
    „Leb wohl, Heidi“, sagte sie,
    drehte sich um
    und rannte im Trab den Berg hinunter
    ins Dörfli zurück.

Ein Bett unter dem Himmel
    Nachdem Dete verschwunden war, ließ der Öhi sich wieder auf der Bank nieder und entzündete die Pfeife neu.
    Heidi stellte sich vor ihn und blickte ihn unverhohlen an.
    „Was ist?“, brummte der Alte. „Was guckst du so?“
    „Du siehst ulkig aus“, erwiderte Heidi.
    „So?“ Der Almöhi runzelte die Stirn. „Und warum?“ „Weil du so dicke Augenbrauen hast und so einen wilden Bart“, sagte Heidi ohne Scheu.
    „Hm“, machte der Großvater. „Und sonst? Was hast du sonst noch entdeckt?“
    „Na, dass es wunderschön hier oben ist“, entgegnete Heidi freimütig.
    Über das verwitterte Gesicht des alten Mannes huschte ein Lächeln. „Du hast dich doch noch gar nicht richtig umgesehen“, sagte er.

    „Dann mach ich das jetzt“, rief Heidi.
    Zuerst sauste sie einmal
    um die Hütte herum.
    Danach schaute sie
    in den leeren Geißenstall.
    Schließlich hockte sie sich eine Weile
    unter die drei riesigen Tannen,
    die hinter der Hütte standen.

    Der Wind fuhr brausend durch ihre Zweige und rüttelte kräftig daran, sodass die schweren Äste auf und nieder wogten. Heidi schloss die Augen und lauschte
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