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Heidi

Heidi

Titel: Heidi
Autoren: Johanna Spyri
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aber vom Kirchturm war von hier unten aus nichts mehr zu sehen. Überall waren nur Mauern, Fenster und Türen.

    Da bemerkte Heidi in einem Hauseingang
    einen Jungen.
    Rasch lief sie zu ihm
    und fragte ihn nach dem Kirchturm.

    „Ich kann dich hinbringen“, sagte der Junge und musterte Heidi mit zusammengekniffenen Augen. „Was gibst du mir denn dafür?“
    Heidi sah ihn verwundert an. „Ich habe nichts“, entgegnete sie. Doch plötzlich fiel ihr etwas ein. Sie schob die Hand in ihre Jackentasche und holte eine silberne Münze daraus hervor, die Sebastian ihr einmal zugesteckt hatte.

    Der Junge nahm die Münze
    und betrachtete sie von allen Seiten.
    Dann pfiff er durch die Zähne
    und versenkte sie in seiner Hosentasche.
    „Dafür bringe ich dich sogar wieder zurück“,
    verkündete er strahlend
    und sauste los.

    Heidi folgte ihm durch schmale Straßen und verwinkelte Gassen.
    Endlich erreichten sie einen großen Platz, auf dem die Kirche mit dem hohen spitzen Turm stand.
    „Und jetzt?“, fragte der Junge.
    „Ich muss auf den Turm hinauf“, sagte Heidi.
    „Das geht nicht“, erwiderte der Junge. „Niemand kann dort hinaufsteigen … außer dem Glöckner natürlich.“ „Dann frage ich ihn eben“, entschied Heidi. „Vielleicht kann er mich hinaufbringen.“
    Leider besaß sie keine zweite Münze, mit der sie ihn hätte bezahlen können.
    „Also gut, versuche es“,
    meinte der Junge
    und ließ sich
    auf einem Mauervorsprung nieder.
    „Ich warte hier auf dich.“

    Heidis Herz hüpfte vor Aufregung, als sie durch die große Tür des Glockenturms trat. Zielstrebig hielt sie auf die Treppe zu.

    „Halt!“, fuhr eine harsche Stimme sie an.
    „Wo willst du hin?“
    Aus dem Schatten trat ein Mann auf sie zu.
    Er war groß und kräftig.
    „Bist du der Glöckner?“, fragte Heidi mutig.
    „Bei Gott, der bin ich!“, polterte er.

    „Und nun verschwinde! Kinder haben hier nichts verloren. “
    „Aber ich muss auf den Kirchturm hinauf“, sagte Heidi. „Sonst bekommt die Großmutter ihre Brötchen womöglich nie.“
    Der Glöckner runzelte die Stirn, aber dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Die Großmutter, soso“, brummte er und zeigte auf die Treppe. „Na, dann geh mal voraus, Kleine. Ich hoffe, dein Atem reicht bis ganz oben hinauf.“

    Heidi zögerte keine Sekunde. „Vielen Dank, Herr Glöckner“, sagte sie und eilte hurtig voraus.
    Der Anstieg war lange nicht so anstrengend wie der Weg vom Dörfli bis zum Großvater auf die Alm. Oben angekommen hob der Glöckner Heidi auf seinen Arm, damit sie über die Balustrade gucken konnte.

    Enttäuscht schüttelte Heidi den Kopf.
    Der Blick war gut und weit, doch leider –
    „Keine Berge“, murmelte Heidi.
    „Dann möchte ich bitte wieder hinunter.“

    „Es tut mir leid, dass ich dir und der Großmutter nicht helfen konnte“, sagte der Glöckner. „Aber vielleicht habe ich ja ein kleines Trostpflaster für dich.“
    Diesmal ging er voraus, und als sie das Erdgeschoss erreichten, öffnete er die Tür zum Turmzimmer. Heidi vernahm ein klägliches Maunzen. Neugierig trat sie näher.
    „Da schau, die Minka hat Junge bekommen“, meinte der Glöckner und deutete auf einen Korb, in dem sich eine graue Mutterkatze und sechs Junge tummelten.

    „Oh, die sind aber niedlich!“, rief Heidi begeistert. Sie hockte sich neben den Korb, um die Jungen zu streicheln. Ein rot-getigertes Kätzchen hatte es ihr besonders angetan.
    „Wenn du magst, darfst du es behalten“, sagte der Glöckner. „Und wenn du genug Platz daheim hast, schenke ich dir auch zwei.“
    O ja! Platz war im Hause Sesemann wahrlich genug! Heidi suchte noch ein lustig geflecktes Tier heraus und verbarg die Kätzchen in ihren Röcken. Was Klara wohl dazu sagen würde?
    Jetzt hatte sie es sehr eilig. So schnell sie konnte, rannte sie hinter dem Jungen, der tatsächlich auf sie gewartet hatte, her bis nach Hause.

    Unbemerkt schlüpfte Heidi durch die Tür.
    Sie lief sofort in Klaras Zimmer
    und setzte ihr die Kätzchen in den Schoß.
    Klara quietschte vor Freude,
    aber dann guckte sie sehr ernst.
    „Wo bist du nur gewesen?“, fragte sie.
    „Ich habe mir
    schreckliche Sorgen gemacht.“

    Heidi senkte verlegen den Kopf. „Das tut mir leid“, stammelte sie. „Das wollte ich nicht.“
    In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen und Fräulein Rottenmeier stürzte herein. „Wo bist du gewesen?“, polterte sie los.
    Heidi wurde blass vor Schreck. Hastig stellte sie sich
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