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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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und Rosamund viele gemeinsame Stunden verbracht hatten. Nicht alles würde wieder so sein, wie es gewesen war.
    »Nun können wir gehen.« Er hielt ein Krüglein mit dem heilenden Trank in der Hand. Das Letzte hatte er in die Hütte gesprochen, wo der zerstrubbelte Rotschopf Tinettes auftauchte.
    »Dass du so lange schlafen kannst!«, lachte Heidi.
    »Auf der Alp sind wir früh aus den Federn.« Auch der Großvater schmunzelte. »Wasch dich, dann begleite uns.«
    »Ohne zu frühstücken?« Tinette räkelte und streckte sich.
    »Trink eine Schale Milch, ich habe sie frisch gemolken.«
    Sie zupfte Grashalme aus dem Mieder. »Wozu die Eile?« Tinette hatte im Heu herrlicher geschlafen als im weichsten Federbett.
    »Es gilt noch eine Unglückselige zu retten.« Der Öhi wies zum Dorf. »Peter ist vorausgegangen. Er und seine Mutter erwarten uns.«
    Seufzend zog Tinette ihre Schuhe an, trank von der Milch und schloss sich den beiden an. Ein helles Lied trällernd lief Heidi die Matte hinunter. Wenn man ihm zusah, meinte man, es habe die abgrundtiefe Bedrohung, die das Kind fast ins Reich der Finsternis hinabgezogen hätte, nie gegeben.
    »Schau nur, Großvater!« Glücklich zeigte Heidi auf den kleinsten Käfer und den mächtigsten Baumriesen. Jede Erscheinung der frühlingshaften Natur weckte in dem Kind Lebenslust; so schnell sprang es zu Tal, dass es lange vor dem Großvater das Haus des Geißenpeter erreichte.

    Heidi hatte so viele Gedanken:Wird die Großmutter noch am Spinnrad in der Ecke sitzen? Hat Brigitte ihre Näherei in die liebe Sonne nach draußen geholt? Hat Peter die Geißen im Dörfli schon eingesammelt?
    »Großmutter, Großmutter!«, rief Heidi und lief in die Hütte.
    »Ach, du mein Gott«, tönte es aus der Ecke. »So springt nur eins zur Tür herein, unser Heidi!«
    »Das bin ja auch ich«, rief es und stürzte zur Großmutter und auf die Knie, fasste ihre Hände und konnte vor Freude gar nichts mehr sagen.
    »Ja, das sind Heidis Haare, das ist seine Stimme, lieber Gott, dass du mich das noch erleben lässest!« Aus den blinden Augen fielen ein paar Freudentränen auf Heidi nieder.
    »Nun komme ich alle Tage zu dir«, sagte das Kind, »und gehe nie wieder fort.«
    Unterdes hatte Peter, der an Brigittes Bett gewacht hatte, den Großvater begrüßt und hereingebeten. Die Mutter war aufs Äußerste geschwächt. Der Bub sorgte sich, ob der Trank noch zur rechten Zeit käme. Der Öhi machte sich gleich ans Werk.
    Während er der blassen Frau einen großen Becher aus dem Krüglein einschenkte, begannen im Dorf die Glocken zu läuten, so laut, so strahlend, dass alle aufblickten und Heidi ins Freie lief.
    »Ist denn bei euch ein Feiertag?«, fragte Tinette.
    Heidi schüttelte erstaunt den Kopf. »Nein. So klingt es sonst nur zu Ostern, wenn die Glocken sich freuen, dass der Heiland auferstanden ist.«
    »Und ist er heute nicht wiedererstanden?« Der Öhi hatte
die schwache Brigitte herausgeführt. »Ist nicht der gottlose Fluch heute Nacht von der Alp gewichen?« Er zeigte zum Kirchturm, den die schwingenden Glocken schier ins Wanken brachten.
    »Das ist das Werk des guten Pfarrers. Durch die Glocken preist er Gottes Segen, der endlich wieder über uns wacht.«
    So standen sie umarmt und ergriffen da und schauten in den hellen Tag und lauschten den Glocken. Peter wischte seiner Mutter ein Tröpflein Milch aus dem Mundwinkel und freute sich, weil eine zarte Röte auf ihren Wangen hochstieg. Das Glück war so groß, dass Heidi die Ärmchen ausstreckte und jauchzte.

    Zur nämlichen Stunde trug sich etwas zu, von dem Heidi und die anderen nichts wussten. In Frankfurt, im prächtigen Haus des Herrn Sesemann, waren die Vorhänge geschlossen. Dort saß im Zwielicht eine Person, die trug ein Kleid aus schwarzem Atlas und einen schwarzen Schleier. Sie hielt eine Feder und schrieb sorgfältig auf ein Blatt Papier.
    Fräulein Rottenmeier brauchte zum Schreiben kein Licht. Seit sie von Marus zur Untoten geadelt worden war, durchdrang ihr Auge jede Finsternis. Das Fräulein schrieb langsamer als gewöhnlich, denn es verfasste den Brief nicht in seiner eigenen Schrift, sondern kopierte die Handschrift der Tochter des Hauses.
    Liebe Heidi, - stand da - hoffentlich bist du gesund nach Hause gekommen, und es ist schön bei euch in den Bergen, und das Wetter ist auch gut.
    Die Rottenmeier nickte zufrieden, sie hatte den Ton einer
Zwölfjährigen recht gut getroffen: So etwa würde Klara einen Brief an Heidi verfassen. In
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