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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem
Autoren: Wolfgang Burger
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so?«
    »Schon immer. Ich wollte es nur erst nicht wahrhaben. Er gehört zu diesen Männern, die immer wieder die Bestätigung brauchen. Die es sich wieder und wieder beweisen müssen, was für ein Kerl sie sind. Und er hat es leider leicht gehabt in dieser Beziehung. Er hat etwas an sich, was Frauen fasziniert.«
    »Wussten Ihre Kinder davon, Frau Grotheer?«
    Traurig schüttelte sie den Kopf. »Sylvia nicht. Die hat an ihren Vater geglaubt. Sie hat ihn auch noch dafür bewundert, dass er sich nächtelang seinen Forschungen widmete, obwohl er doch nur … doch nur … bei seinen Huren war.«
    Mein Handy schlug Alarm.
    »Chef«, brüllte Balke in mein Ohr. »Wir haben ihn!«
    »Krahl oder Grotheer?«
    Er wurde leiser. »Den Volvo. In Mannheim am Bahnhof. In der Tiefgarage.«
    Ich warf Frau Grotheer einen um Nachsicht bittenden Blick zu. »Wo Grotheer ist, dürfte Krahl nicht weit sein. Die Mannheimer Kollegen sollen an allen Schaltern rumfragen, beim Aufsichtspersonal und …«
    »Sind schon dabei«, fiel Balke mir ins Wort. »Die Fahrkartenautomaten werden auch gerade gecheckt.«
    »Seit wann ging das schon mit Frau Schmitz?«, fragte ich, nachdem ich das Handy wieder eingesteckt hatte.
    »Seit wann?«, fragte sie mit flammendem Blick. »Seit einem Jahr? Seit zweien? Was weiß ich. Jedenfalls länger als üblich. Deutlich länger als üblich.« Dann fiel sie in sich zusammen. »Verschwinden Sie«, sagte sie nach langem Schweigen tonlos. »Bitte verschwinden Sie jetzt.«
     
    »Er hat insgesamt vier Fahrkarten gekauft«, berichtete Balke mir während der Rückfahrt am Telefon. »Kopenhagen, Paris, Warschau und Zürich.«
    »Ach du lieber Gott«, stöhnte ich. »Wie sollen wir denn …«
    »Wir haben ausnahmsweise mal Glück. Ein Typ vom BGS hat ihn gesehen. Grotheer sitzt im ICE nach Zürich.«
    »Seit wann?«
    »Seit ’ner guten halben Stunde. Ich hab ihn auf Ehre und Gewissen gefragt. Er ist absolut sicher, dass unser Prof in diesem Zug sitzt.«
    »Und was ist mit Krahl?«
    »Niemand weiß was.«
    »Wo ist dieser Zug jetzt?«
    Balke überlegte kurz. »Irgendwo zwischen Karlsruhe und Baden-Baden müsste der jetzt sein.«
    »Das sind sechzig, siebzig Kilometer. Nächster Halt?«
    »Freiburg, in einer knappen Stunde. Und dann Basel. Dann ist er in der Schweiz. Dann ist er weg.«
    »Nur für uns«, sagte ich wütend. »Nur für uns ist er dann weg. Für Krahl nicht.«
    »Glauben Sie, der sitzt auch in diesem Zug?«
    »Was glauben Sie denn? Was glauben Sie wohl, wozu er ihn aus seinem Haus gescheucht hat? Er wird ihm an den Fersen kleben wie Kaugummi. Und Grotheer merkt vermutlich nichts, weil er inzwischen völlig durchgedreht ist vor Panik.«
    Ich hielt an einer roten Ampel und hörte, wie Balke mit jemandem im Hintergrund sprach.
    »In genau siebenundfünfzig Minuten hält er in Freiburg«, rief er dann. »Fünfzehn Uhr zweiunddreißig, um genau zu sein.«
    »Können wir ihn irgendwie stoppen?«
    »Klar. Aber bis wir den Antrag durchhaben, liegt Grotheer auf den Malediven in der Sonne und ist schön braun geworden.«
    »Oder er ist ganz blass und liegt in einer Kühlkammer. Wir haben nicht die leiseste Chance, in siebenundfünfzig Minuten nach Freiburg zu kommen.«
    Ich beendete das Gespräch. Hundert Meter weiter bog ich auf den Parkplatz, stellte den Wagen ab und lief durch den wieder stärker werdenden Regen zum Eingang.
    »Doch«, rief Balke mir entgegen, als ich sein Büro betrat. »Wir haben doch eine Chance!«
    »Vergessen Sie es. Das schafft nicht mal Vangelis. Glauben Sie mir, ich kenne die A 5.«
    »Nicht über die Autobahn!«, rief er begeistert. »Wir fliegen! Klara organisiert gerade den Hubschrauber der Autobahnpolizei!«
    Natürlich. Warum nicht auch noch das? Mir war jetzt schon schlecht.
    Augenblicke später kam Vangelis herein. Der Hubschrauber war schon auf dem Weg. Abholen würde er uns auf dem Landeplatz des Klinikums.
    Sie brauchte knappe fünf Minuten bis dorthin, und während dieser fünf Minuten war ich dreimal davon überzeugt, dass dieser Tag mein letzter sein würde. Als wir aus dem Auto stiegen, war der Hubschrauber eben im Begriff zu landen. Der Pilot ließ die Turbinen weiterlaufen, während wir gebückt unter den bedrohlich durch die Luft zuckenden Rotorblättern hindurch zur Kabine hasteten. Balke saß vorne neben dem Piloten, aber diesmal saß ich ausnahmsweise gerne hinten. Noch bevor wir die Türen zugezogen hatten, ging ein Ruck durch die ohrenbetäubend lärmende, grünweiße
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