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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt
Autoren: G Pauly
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wollte. Und Arndt musste verstehen, wie wichtig es war, die Hebamme daran zu hindern, über diese Nacht zu reden. Katerina von Zederlitz hatte früh gelernt zu schweigen. Ihre Mutter hatte es ihr geraten, und ihre Großmutter hatte es auch schon so gehandhabt. Man konnte vieles zu einem guten Ende schweigen. Auch ihre Schwiegermutter hatte so lange zu den ehelichen Verfehlungen ihres Mannes geschwiegen, bis ihm irgendwann die Kraft fehlte, sie weiter zu betrügen. Danach war alles gut gewesen! Ihre Mutter hatte so lange die fatale Neigung ihres ältesten Bruders durch Schweigen geleugnet, bis dessen Liebhaber gestorben war und damit allmählich in Vergessenheit geriet, dass er homosexuell war. Als der Bruder alt und krank geworden war, hatte sich kaum noch jemand daran erinnert. Danach war alles gut gewesen!
    Als Katerina daran zurückdachte, entschuldigte sich Fürst Alexander gerade bei seiner Verlobten, weil er von Herrn Roth gebeten worden war, mit ihm die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, damit das Königspaar nach seinem Eintreffen vor lästigen Fragen geschützt wurde.
    Gerade, als Elisa sah, dass Ebbo sich in der Nähe der Gleise herumdrückte, erfuhr Gräfin Katerina von einem ihrer Dienstmädchen, dass der Graf noch immer nicht nach Hause gekommen war, obwohl es doch nun Zeit wurde, sich umzuziehen, damit die Familie von Zederlitz geschlossen an der Inselbahn stehen konnte, um König Carol I. zu begrüßen.
    Katerina wurde unruhig, aber natürlich konnte sie nicht ahnen, dass es wohl die Gefahr war, in der ihre Tochter schwebte, die sie ängstlich und besorgt machte. Elisa hatte Hanna soeben einen Wink gegeben, die bereit war, sich von dem Interesse um ihre Person für eine Weile zu lösen und ihrer Funktion als Gesellschafterin nachzukommen. Da die Inselbahn noch immer auf sich warten ließ, beschlossen die beiden jungen Frauen, an den Bahngleisen entlangzugehen, um sich ein wenig Bewegung zu verschaffen. Wohlgefällige Blicke folgten ihnen, nicht nur der bezaubernden Elisa, sondern heute auch ihrer Gesellschafterin, der es zu verdanken war, dass ein schrecklicher Mord sehr schnell aufgeklärt werden konnte. Dass sich Ebbo Boyken zu ihnen gesellte, fand niemand verwunderlich, schließlich galt er als Hannas Bruder. Er half den beiden dabei, aus den wilden Blumen, die am Bahndamm wuchsen, einen Strauß zu binden, der vermutlich der Königin überreicht werden sollte.
    Als Katerina zu Ohren kam, dass sich ihr Gemahl mit dem alten Holzkarren des Gärtners aufgemacht haben musste, hatte sich ein Lokführer der Inselbahn gerade entschlossen, die Verspätung des Zuges dafür zu nutzen, eine Ersatzlokomotive auf die Bahnstrecke zu schicken, um sie von dort über eine Weiche auf das Nebengleis zu fahren, das direkt in den Lokschuppen führte.
    Aus Katerinas Ärger über das seltsame Verhalten ihres Gemahls wurde gerade große Sorge, als das schrille Pfeifen der Lokomotive, das der Lokführer unnötigerweise und vermutlich nur deshalb ertönen ließ, weil er vor erlauchtem Publikum rangierte, ein Pferd erschreckte. Es war gerade ausgespannt worden, weil es nervös vor der Kutsche seiner Besitzer tänzelte und das zweite Pferd mit seiner Unruhe ansteckte.
    Katerina spürte einen eiskalten Schauer auf ihrer Haut, der im Nu ihren ganzen Körper überzog, ein Gefühl, das sie Angst nannte, Angst um ihren Mann. Dass es eine Vorahnung war,konnte sie nicht wissen. Denn gerade in dieser Sekunde vergewisserte sich Ebbo, dass die rangierende Lok die Sicht auf die wartende Menge versperrte, die sich überdies geschlossen dem scheuenden Pferd zuwandte, und griff nach Elisa, um sie zu küssen.
    Sie wehrte empört ab. »Nie wieder, Ebbo! Hörst du?«
    Sie stieß ihn vor die Brust, mit größerer Kraft, als er erwartet hatte. Ebbo taumelte ein paar Schritte zurück in dem Bemühen, auf den Beinen zu bleiben, ging aber schließlich doch zu Boden.
    Auch Elisa taumelte zurück, von der eigenen Kraft überwältigt. Ihre Schnürstiefeletten rutschten über den Schotter, der die Bahnstrecke säumte, haltsuchend griff sie um sich, fand nichts, was sie retten konnte, versuchte sich auf den Beinen zu halten, spürte jedoch, dass ihr weiter Rock sich in den Spangen der Stiefeletten verfing, dass er ihre Bewegungen behinderte, ihren Körper noch weiter nach hinten riss. Sie wusste um das schwarze Ungetüm in ihrem Rücken, spürte seine Hitze, verbrannte sich bereits an der Gefahr, schrie und fiel, schrie und fiel …
    »Elisa!« Schon war
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