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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt
Autoren: G Pauly
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Elisas Augen sah, aber wieder ganz sicher, als er kurz darauf wegschaute und sich die Gestalt des Mannes ins Gedächtnis rief, den er auf Okkos Karren hatte davonfahren sehen. Es war Arndt gewesen. Ganz sicher!
    »Er wird meine Mutter begleiten, um König Carol zu begrüßen«, bekräftigte Elisa, und es klang beinahe so, als wollte sie sich selber Mut machen. »Zwar hat sie wieder ihre Migräne, aber sie wird es sich nicht nehmen lassen, zur Inselbahn zu kommen.« Geradezu trotzig ergänzte sie: »Wir werden zur Familie des rumänischen Königs gehören! Da kann man nicht einfach mit Migräne zu Hause bleiben!«
    Eine Kutsche der Villa Roth fuhr soeben vor dem Conversationshaus vor. Ein kleiner Teil ihres Gefolges würde die Königin selbstverständlich auch auf dieser kurzen Fahrt begleiten, zwei Hofdamen, eine ältere Verwandte des Königs und Ioan Bitu, der Lyriker. Mit den Gesprächen über seine Gedichte und die eigenen literarischen Werke vertrieb sich Königin Elisabeth am liebsten die Zeit, das hatte Marinus von Katerina erfahren. Und aus Arndts Erzählungen wusste er, dass dies der Grund war, warum Ioan Bitu die Königin auf den meisten ihrer Reisen begleitete. Ihm war es anscheinend recht, da er nach dem Tod seiner Frau sein Haus aufgegeben hatte und nirgendwo mehr sesshaft war.
    Marinus vergaß Elisa und Hanna und betrachtete den Lyriker, der ihm schon bei seiner Ankunft aufgefallen war. Mittlerweile war ihm der Zauber des Besonderen, des Unheimlichen verloren gegangen. Man hatte sich daran gewöhnt, dass er nur schwarze Kleidung trug, und durchschaut, dass er sich gern alsschwarzer Mann bezeichnen ließ und es sogar amüsant fand, wenn er ängstlich betrachtet wurde. Jetzt half er den Hofdamen der Königin aus der Kutsche, reichte ihnen den Arm, um sie zum ersten Waggon der Inselbahn zu führen, und benahm sich so wie jeder andere Mann, der sich alleinreisenden Damen verpflichtet fühlte. Er setzte den Hut auf, den er bislang in der Hand gehalten hatte, rückte ihn zurecht und stieg ebenfalls ein.
    Marinus war so sehr in seinen Anblick vertieft, dass er Alexander von Nassau-Weilburg erst im letzten Moment wahrnahm. Der Fürst begrüßte seine Verlobte mit genau der richtigen Mischung aus Herzlichkeit und Galanterie und küsste ihr die Hand so ausgiebig, dass jeder Anwesende begreifen musste, wie sehr er in sie verliebt war. Dann wandte er sich Marinus zu und reichte ihm mit knapper Höflichkeit die Hand, so dass Marinus nicht zu erklären brauchte, warum er zwar Elisas Onkel war, aber dennoch keinen wohlklingenden Namen trug. Fürst Alexander war längst darüber informiert, das war daran zu erkennen, wie genau er zu dosieren wusste. Dass er Hanna keines Blickes würdigte, verstand sich von selbst. Marinus schüttelte das Unbehagen ab und sah sich um. Noch immer war von Arndt und Katerina nichts zu sehen.
    Aber dann wurden alle Überlegungen vom Erscheinen der Königin verdrängt. Herr Roth begleitete sie, sprang aus der Kutsche, kaum dass sie anhielt, und lief auf die andere Seite, um der Königin herauszuhelfen. Jubelrufe ertönten, einige Sylter schwenkten ihre Hüte und Mützen. Die Königin hob winkend die Hand und ging an Herrn Roths Arm auf den Waggon der Inselbahn zu, der für sie reserviert war. Dort wurde sie von ihren Hofdamen und Ioan Bitu erwartet. Neben ihnen standen der Inselvogt und der Kurdirektor, um Königin Elisabeth zu versichern, wie sehr man sich auf die Ankunft ihres Gemahls freue.
    Marinus spürte, dass er beobachtet wurde. Unruhig sah er sich um und entdeckte Freda, die in einiger Entfernung standund ihn fixierte, als wollte sie ihn zwingen, auf sie aufmerksam zu werden. Als er sie ansah, wurde ihr Blick noch intensiver, so dass er nun ganz sicher war: Sie wollte ihm etwas mitteilen. Dabei konnte es sich nur um Geesche handeln. Das Glück fuhr durch seinen Körper wie eine heiße Welle. Das konnte nur bedeuten, dass Geesche lebte! Und Freda wusste, wo sie war!
    Marinus musste sich zwingen, so gemächlich zu ihr zu gehen, dass niemand auf ihn aufmerksam wurde. Er schlenderte in Fredas Nähe, grüßte dabei zwei Bekannte, ließ sich sogar die Zeit für ein paar Worte, ohne allerdings Freda aus den Augen zu lassen, die wissen sollte, dass er verstanden hatte und dass er zu ihr kommen würde. Inzwischen war die Königin in den Waggon gestiegen, ein schriller Pfiff ertönte, die Inselbahn setzte sich langsam, sehr langsam in Bewegung. Sämtliche Fenster waren geöffnet, die Königin
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