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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt
Autoren: G Pauly
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auch zum Conversationshaus kommen«, sagte sie. »Er möchte Sie sehen. Und wenn es nur von weitem ist.«
    Elisa von Zederlitz lächelte nicht, wie Hanna es gehofft hatte, aber sie ging weiterhin so langsam, dass Hanna mühelos folgen konnte. »Der Fürst wird auch da sein«, sagte Elisa. »Ich möchte nicht, dass er Ebbo sieht.«
    Eilig versicherte Hanna, dass Ebbo sich im Hintergrund halten werde, dass er nur wissen wolle, ob es ihr gutgehe. »Ich werde ihm sagen, dass Ihr Vater keinen Argwohn geschöpft hat. Dann wird er zufrieden sein und kann wieder gehen.«
    Nun schien es so, als vertraute ihr die Comtesse wieder. Warm durchrieselte Hanna das Glück, als sie merkte, dass Elisa von Zederlitz wieder mit ihr im Gleichschritt ging. Das Tohktik entstand nicht nur unter Hannas Füßen, sondern auch unter den Schnürstiefeletten der Comtesse. Sie gehörten wieder zusammen, sie gingen im gleichen Rhythmus. Das Glück machte Hanna derart kopflos, dass sie stolperte und beinahe gestürzt wäre.
     
    Marinus wusste nicht mehr weiter. Wieder hatte er es so wie Geesche gemacht, war zum Strand gegangen, hatte auf das Meer geblickt, hatte die Wellen, den Himmel und die Möwen gefragt, aber er war ohne Antwort geblieben. Solange Geesche sich vor ihren Verfolgern versteckte, konnte auch er sie nicht finden. Was sollte er tun? Wenn er zum Inselvogt ging und ihm gestand, dass er Geesche befreit und Hauke Bendix niedergeschlagen hatte, war das womöglich das Ende seiner eigenen Freiheit. Denn ob man ihm glauben würde, dass nicht er es gewesen war, der Nermin geknebelt hatte und dass der Gefängniswärter noch lebte, als er mit Geesche floh, war mehr als ungewiss. Und ob der Inselvogt ihm abnehmen würde, dass der Sturz, der Hauke das Leben gekostet hatte, ein Unglücksfall gewesen war, der noch dazu in Notwehr geschah, mochte er ebenfalls nicht hoffen. Blieb immer noch die Tatsache, dass Geesche Hauke niedergeschlagen hatte. Auch das war Nothilfe gewesen! Aber würde man ihm glauben? Solange Geesche in Freiheit war, musste auch er sehen, dass er in Freiheit blieb. Nur dann bestand Hoffnung, dass sie gemeinsam von der Insel fliehen und irgendwo ein neues Leben beginnen konnten. Wenn Geesche noch lebte … wo mochte sie sich verstecken? Wo würde sie sich sicher fühlen? Wem konnte sie vertrauen?
    Darüber hatte Marinus lange nachgedacht und war nun zu der Ansicht gekommen, dass es nur einen Menschen auf Sylt gab, dem Geesche rückhaltlos vertraute. Freda Boyken! Obwohl sie Freda betrogen hatte und schuld an deren schwerem Schicksal geworden war, würde sie auf die Frage nach einer guten Freundin Fredas Namen nennen. Voller Bitterkeit dachte er daran, mit welchem Vertrauen er noch vor wenigen Tagen Arndts Namen genannt hätte. Nun mied er sogar die Nähe seines Bruders. Ob Arndt überhaupt bemerkt hatte, dass er in der vergangenen Nacht nicht nach Hause gekommen war? In den Dünen war er herumgestrichen, hatte sich in die Nähe der Strandräuber getraut, um Geesche zu finden,schließlich im Freien übernachtet, um gleich beim ersten Morgengrauen weiter nach ihr zu suchen. Der entsetzliche Gedanke, sie könnte das Opfer eines Verbrechens geworden sein, nahm immer mehr Gestalt an. Von Strandräubern ermordet! Von Inselbahnarbeitern gelyncht! Marinus schloss die Augen und versuchte, die schrecklichen Bilder zurückzudrängen. Ob er es wagen konnte, zu Freda zu gehen und sie nach Geesche zu fragen?
    Er beschloss, sich zum Haus der Boykens zu begeben. Erleichtert, sich eine winzige Perspektive erarbeitet zu haben, machte er sich auf den Weg. Der Strandübergang, den er benutzte, war weit von Arndts Haus entfernt. Marinus war froh darüber. So lief er nicht Gefahr, seinem Bruder zu begegnen.
    Doch kaum war ihm dieser Gedanke durch den Kopf gegangen, blieb er wie angewurzelt stehen. Ungläubig starrte er den Weg entlang, auf dem sich etwas bewegte. Langsam, ohne jede Eile, aber scheinbar mit einem klaren Ziel. Arndt! Ja, unzweifelhaft Graf Arndt von Zederlitz! Er saß auf einem alten Holzkarren, der von einem zottigen Pferd gezogen wurde, und hielt die Zügel so nachlässig, als wollte er das Tier entscheiden lassen, wohin es gehen sollte. Sein Kopf war auf die Brust gesunken, er schien nicht einmal auf den Weg zu achten.
    Marinus kannte diesen Karren. Okko benutzte ihn gelegentlich, um Gartenabfälle wegzubringen oder Gras von den Wiesen zu holen. Das Pferd war das persönliche Eigentum des Gärtners, er ließ es im Sommer auf der Weide
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