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Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition)
Autoren: Jean Wiersch
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Hand.
    »Wahrscheinlich hat er erst seine Frau erschossen und dann kurz darauf sich selbst. Erweiterter Suizid.« Sonja, die bislang in der Tür zum Schlafzimmer gestanden hatte, stellte sich jetzt auch an das Fußende des Bettes.
    »Und wer hat sie gefunden?«
    Sie sah sich kurz um und blickte zurück ins Wohnzimmer. »Der Herr da, mit dem schwarzen Polohemd.«
    Manzetti drehte sich in die Richtung, in die Sonja gerade schaute. Beim Reinkommen hatte er nur flüchtig in die Runde gegrüßt und nicht auf jedes Gesicht geachtet. »Du?«
    »Ja, ich. Was überrascht dich daran?« Werner Michaelis kam aus der dunklen Ecke und gab Manzetti die Hand. »Guten Morgen, Andrea.«
    »Guten Morgen. Wie kommst du denn hierher? Hast du dich etwa verlaufen?«
    »Nein«, sagte Michaelis. »Können wir mal … ich meine.« Er nickte zur Tür.
    Manzetti hatte verstanden und schob ihn vor sich her bis auf die Terrasse. Dort ließ er ihn stehen und ging fünf Schritte weiter. Er sprach mit zwei Streifenpolizisten, die nebeneinander standen und rauchten, und dann auf seine Handbewegung hin in Richtung See verschwanden.
    »Was gibt es denn so Wichtiges, dass du mit mir unter vier Augen reden willst?«, fragte Manzetti, als er wieder vor Michaelis stand.
    »So, wie ich deine junge Kollegin verstanden habe, geht ihr von Selbstmord aus.«
    Manzetti leitete seine Antwort mit einem fast unmerklichen Nicken ein. »Ja. Es sieht jedenfalls erst mal so aus.«
    Michaelis strich sich über den Nacken. Der war inzwischen kalt und feucht. »Ich … ich habe da meine Zweifel … Könntest du …«
    »Was?«
    Michaelis wischte seine ebenfalls feuchte Hand an der Hose ab. »Könntest du nicht wenigstens am Anfang so tun, als ob ein … sagen wir mal, ein Verbrechen nicht ganz auszuschließen ist?«
    Manzetti setzte sich auf einen der vier Holzstühle und zog die Augenbrauen hoch. »Was ist denn mit dir los? Bekommt dir etwa der Ruhestand nicht?«
    »Wieso?«
    »Bei allem Respekt, Werner. Du wirst doch auf deine alten Tage nicht noch der großen Story nachjagen? Werner, werd’ endlich wach. Auch du gehörst zur Schar derer, die den Pulitzer in ihrem Leben nicht bekommen werden. Der Zug ist längst abgefahren und du stehst noch auf dem Bahnsteig.«
    Michaelis setzte sich auf den Stuhl neben seinen zweiten und nunmehr einzigen Freund.
    »Nein, ich will keinen Preis. Ich habe dich aus alter Freundschaft lediglich um etwas gebeten, weil ich nicht glauben kann, dass Kurt sich selbst und seine Frau erschossen hat.« Seine Augen suchten in weiter Ferne einen Punkt, der ihm Halt bieten würde.
    »Und woran machst du das fest?«, wollte Manzetti wissen.
    Michaelis wurde rot. Er kam sich vor wie ein Idiot. Nichts konnte er vorbringen, was seine Bitte unterstützen würde. »Ich will doch nur, dass du wenigstens alle Indizien prüfst, die für einen Mord sprechen könnten.«
    Manzetti sah ihn etwas unterkühlt an. »Das machen wir immer«, behauptete er.
    »Das weiß ich doch«, bekräftigte Michaelis. »Ich habe aber trotzdem meine Bedenken.« Er hielt den Zigarillo in der rechten Hand und strich sich mit der linken über das unrasierte Kinn. »Kurt und ich waren zusammen auf der Schule. In Ziesar, um genau zu sein. Eine Schule mit Internat, das auf einer alten Burg gelegen war. Ich habe mit ihm quasi vier Jahre in einem Zimmer gehaust und glaube, ihn daher ganz gut zu kennen.« Er beugte sich jetzt ganz weit zu Manzetti vor. »Kurt war nicht der Mensch, der erst seine Frau und dann sich selbst tötet. Er war rational veranlagt und nicht emotional.« Michaelis schnippte den Zigarillorest in den Sand. Rational beschrieb den alten Freund nicht mal ansatzweise. Kurt behielt stets einen kühlen Kopf und handelte immer bedachtsam.
    »Du hast mir nie von ihm erzählt«, stellte Manzetti plötzlich fest und schlug ein Bein über das andere. Sein seidendurchwirkter Anzug funkelte in der Sonne.
    »Hätte ich das denn gemusst?«
    »Nein, natürlich nicht«, räumte Manzetti ein. »Aber wir sind jetzt seit zehn Jahren befreundet, und da wundert es mich, dass du nie über einen so alten Schulkameraden gesprochen hast. Das hätte mich mitunter auch interessiert.«
    Michaelis räusperte sich. Was sollte er darauf antworten? »Das lag vielleicht daran, dass wir beide nie genug Zeit hatten, um über Kurt zu reden.«
    Manzetti lachte auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »So, glaubst du? Du hast mir von jeder deiner weiblichen Errungenschaften erzählt, auch von denen, die
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